Was mir an der Sprache des Fußballtrainers Pep Guardiola sehr, sehr, sehr gefällt: dass wir hier den Keim einer möglichen Europasprache erkennen.
»Don’t frag mich Meisterschaft.«
»Es ist eine gefährliche situación.«
»Es fehlt nur ein kleines Detail and you go down.«
Eines Tages werden wir alle so reden. Wir werden Deutsch können, Spanisch und Englisch, aber wenn wir miteinander reden, dann in diesem Gemisch aus Idiomen des Kontinents. Wir sollten dann nicht vergessen, dass es der Fußball war, der uns so bereichert hat. Und dass alles auf sehr niedrigem Niveau begann.
Einer der ersten Trainer, die aus dem Ausland kamen, war der Kroate Zlatko Čajkovski, den alle Tschik nannten, weil er bloß 1,64 Meter groß war und das kroatische Wort für (Zigaretten-)Stummel Čik oder eben Tschik ist. Čajkovski, der den FC Bayern 1965 in die Bundesliga führte und mit ihm 1967 den Europapokal der Pokalsieger gewann, sprach nur wenig Deutsch. Dennoch (oder deswegen) ist eine Wendung von ihm in die Geschichte eingegangen, »kleines dickes Müller« für Gerd Müller.
Viel mehr lernte er nie, vom Gespräch über seine Entlassung als Trainer in Offenbach 1976 berichtete er: »Man mich holen und sagen: ›Wir hören, Sie wollen gehen.‹ Ich sagen: ›Ich nichts hören. Ich bleiben.‹ Die sagen: ›Sie taktisch schlecht.‹ Ich mich greifen an Stirn.‹« Da hatte er schon fast zwanzig Jahre in Deutschland gelebt, aber es war nie nötig, mehr zu wissen. »Ich sagen zu junger Spieler: ›Du spielen Football wie alte Frau.‹ Er antworten: ›Du mir zeigen, Trainer. Ich wollen nich sein alte Frau.‹ Alle, alle sprechen Tschik-Sprache, wenn mit mir reden.«
Einen anderen Ansatz verfolgte Ernst Happel, einer der erfolgreichsten Trainer der Welt, mit dem Hamburger Sportverein 1983 Europapokalsieger. Happel war Österreicher, hatte aber auch in Belgien und Holland gelebt. Er sprach vier Sprachen, allerdings alle gleichzeitig, ein Europa-Spezial-Kauderwelsch. (Wenn er überhaupt sprach, bei Pressekonferenzen sagte er bisweilen: »Dieses Spiel hatte zwei verschiedene Halbzeiten, ich danke Ihnen.« Worauf er sich so verabschiedete: »Haut’s eich in’ Schnee, ihr Zauberer.«) Das Wort »Psyche« hieß in seinem Idiom »Mentalflak«, die Physis war die »Kondizi«. Spieler wies er so an: »Wir agieren heute mit spezifik Kontra-Attack, und wenn das nix bringt, dann Umstellung auf Hollywood.«
Leider konnte sich keines dieser Wörter im Deutschen durchsetzen, aber das ist nicht selten. Der Ungar Pál Csernai erfand als Trainer des FC Bayern das schöne Wort vom »Hessenkessel« (gemeint war der Hexenkessel), leider ist es vergessen. Wird es dem »Feierbiest«, das Louis van Gaal vom niederländischen Feestbeest ableitete, besser gehen? Kann sich das Wort »högschde«, das der aus dem Schwarzwald zugewanderte Jogi Löw oft verwendet, in Deutschland durchsetzen?
Von hier führt jedenfalls ein direkter Weg zu jener Souveränität, mit der Giovanni Trapattoni das Deutsche benutzte. Der Mann wird immer nur mit seiner Habe-fertig-Rede zitiert, aber er hat viel mehr gesagt. Als er den VfB Stuttgart trainierte, beantwortete er die Frage, warum er den Spieler Soldo nicht eingesetzt habe: »Fehler, wenn wir spiele wie Soldo. Soldo okay, wir machen steht, bleiben okay spielen. Diese Mannschaft muss ein bisschen andere Situation suchen, no?«
Warum freuen uns solche Sätze so? Weil wir die eigene Sprache mit den Augen des Kindes sehen. Weil uns das Vertraute fremd wird und doch vertraut bleibt: Das ist ja meine Sprache! (Aber ich verstehe es trotzdem nicht.) Weil jemand sich über Regeln hinwegsetzt und die Gesetze des Redens selbst bestimmt. Es bereichert uns, es lehrt uns die eigene Sprache neu sehen, oder: it learns us to see our own speech new, wie der Weltbürger Lothar Matthäus sagen würde.
Illustration: Dirk Schmidt