Der Sprach-Wertstoffhof (IX): Hier, liebe Freunde, kommt nun eine Nachricht, die von weitreichender Bedeutung für das deutsche Grußwesen sein könnte. Ohne den Sprach-Wertstoffhof wäre sie womöglich der Vergessenheit anheimgefallen.Herr G. aus Bad Feilnbach schrieb nämlich, er habe vor langer Zeit bei einer Firma namens »Telefonbau und Normalzeit« gearbeitet. »Es war die Zeit der deutsch-französischen Aussöhnung (Adenauer mit de Gaulle) und bei uns hospitierte ein paar Monate lang ein Praktikant aus dem Elsass, der leidlich Deutsch konnte. Als die Zeit des Abschieds gekommen war, bedankte er sich artig bei uns und lobte insbesondere das gute Betriebsklima. Der Zusammenhalt der Kollegen und die Identifikation mit dem Unternehmen seien großartig. Insbesondere dass die Firma einen eigenen Gruß entwickelt habe, fände er ganz außergewöhnlich und einzigartig.«Das habe nun, führt G. weiter aus, die Runde sehr erstaunt. Ein eigener Gruß? In ihrer Firma? Doch habe niemand die Stimmung durch Nachfragen stören wollen, und so habe er, G., erst einige Tage später den Scheidenden gefragt, was er gemeint habe. Es stellte sich heraus, dass er den deutschen Mittagsgruß »Mahlzeit!« immer als »Normalzeit!« verstanden hatte, ein Glaube, in dem G. ihn schließlich ließ, »dieses positive Deutschlandbild wollte ich nicht zerstören«.Übrigens, zum Deutschlandbild in Amerika: Als der Sprach-Wertstoffhof im Sommer zum ersten Mal geöffnet hatte, wurde ein Text aus den USA eingeliefert, eine Bedienungsanleitung in einem Semi-Deutsch, die Sätze enthielt wie diese: »Das Machine Control ist nicht für das Gerfingerpoken und mittengraben! Oderwise is easy to schnappen der Springenwerk, Blowenfusen und Poppencorken mit Spitzensparken.« Dazu bekam ich zahlreiche freundliche Briefe, in den darauf hingewiesen wurde, dass es sich hier um ein in den USA kommerziell vertriebenes Schild handle, mit dem man sich über die deutsche Sprache im Allgemeinen und den deutschen Akzent im Besonderen lustig mache.Das ist natürlich wichtig zu wissen. Andererseits nehmen wir im Sprach-Wertstoffhof eben alles. Dazu sind wir gesetzlich verpflichtet.Und noch eine Korrektur: Herr A. aus München, »altfilologe und grieche«, weist anlässlich der Tatsache, dass Herrn E. aus Wuppertal auf Rhodos eine Nachspeise als »Mischdünger« angeboten wurde, auf die »total verschiedene etymologie und ursprüngliche bedeutung der Wörter ›Kompost‹ und ›Kompott‹« hin. Kompost, das in allen europäischen Sprachen (außer in Deutsch und Französisch) Nachtisch bedeute, komme vom lateinischen compositio, also Mischung. Das liege daran, dass die Römer als Nachspeisen allerhand Käse, Nüsse, Früchte zu sich genommen hätten, und zwar in allen Variationen und Mischungen. Kompost, so A., sei also »die richtige bezeichnung« für Nachtisch. Kompott hingegen gehe auf das lateinische compotor zurück, das ist der Zechgenosse. Das liege daran, dass man zu Zeiten der Franken und Germanen ein Mahl nicht mit einem Nachtisch, sondern einem Besäufnis beendet habe.Sodass wir also heute, möchte ich anfügen, wenn wir Kompott essen, in Wahrheit Kompost speisen.Wir bleiben noch für einen Moment auf Rhodos. Nicht Herr E. aus Wuppertal, sondern Herr Z. aus Ansbach entdeckte dort auf einer Karte ein Gericht namens »Zwiebel ruft an«. Erst im englischen Kartenteil fand er heraus, was das bedeutete. Es handelte sich um Zwiebelringe, onion rings.Frau von Z. aus Schwabing berichtet von einem Hotelrestaurant in Abano Terme, in dem auf der Karte »Der Schwanz des Anglers« stand. Es ging um eine coda di rospo, einen Seeteufel, wobei coda eben auch Schwanz bedeutet, und der Seeteufel im Deutschen einen zweiten, seltener benutzten Namen hat, Angler nämlich, anglerfish sagt der Engländer.In diesem Sinne: Normalzeit!»Das Beste aus meinem Leben« gibt es jetzt auch als TV-Serie. Hier finden Sie mehr Infos zur Fernsehserie.
Illustration: Dirk Schmidt