Das Beste aus meinem Leben

Meine Vorsätze fürs neue Jahr? Ich bin noch nicht mit dem alten fertig. Bevor 2007 zu Ende geht, schreibe ich eine Selbstbestrafungsarbeit – zehnmal auf ein Blatt den Satz: »Eine Myriade steht für eine Anzahl von 10000«, warten Sie, ich mache es gleich … So.

Warum musste ich diese Strafarbeit schreiben?
Luis, mein Sohn, hatte einen Aufsatz zu schreiben. Er begann ihn mit dem Satz, dass er »wieder einmal Myiarden von Hausaufgaben« habe. Danach begann eine hübsche Geschichte, die er aber ohne Punkt und Komma und mit vielen Fehlern erzählte, worüber ich mich aufregte, weil ich es für eine Schlamperei hielt, was es ja auch war, aber das nur nebenbei. Ich warf Luis vor, dass er Wörter benutze, die es nicht gebe, »Myiarden« zum Beispiel.
»Es gibt Myiarden«, sagte er. »Das ist eine große Zahl.«
»Entweder heißt es Milliarde oder Myriade«, sagte ich.
»Dann eben Myriade«, sagte Luis. »Und das ist ein Wort für eine große Zahl.«
»Eine Myriade ist ein Schwarm«, sagte ich. »Ein Schwarm besteht aus einer großen Zahl. Aber er ist keine große Zahl.«

Sehen Sie, das war mein Fehler. Als wir abends zum Essen bei Bruno eingeladen waren, fing Paola mit dem Thema an und warf mir vor, Luis zu Unrecht kritisiert zu haben. Bruno holte ein Lexikon und las vor: »Eine Myriade steht für eine Anzahl von 10000.« Im übertragenen Sinne bedeute es auch eine große Zahl.
Keine Ahnung, wie ich auf »Schwarm« gekommen bin.
Außerdem, sagte Bruno, solle ich mich nicht so haben wegen der Punkte und Kommata, das Problem hätten viele Kinder, es hänge mit dem dauernden SMS-Schreiben zusammen.

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Am nächsten Tag las ich nach, dass noch Archimedes mit Zahlwörtern statt mit Ziffern arbeitete. Myriade war das höchste Zahlwort der Griechen. Wenn man »20000« ausdrücken wollte, sagte man »zwei Myriaden«.

Dann bekam ich ein Fax von meinem Freund S., der beruflich gerade mit dem Grips-Theater in Berlin zu tun hat. Das Grips-Theater hatte bei ihm angerufen, als er nicht da war, und um Rückruf gebeten. Sein Sohn hatte den Anruf angenommen und die Rückrufbitte für den Vater auf einem Zettel notiert: »LIBErPAPADASGrEPS­TEATAHATANGERUFENWÖrDESTDUNOrMALANrUrEN«.

Ich entschuldigte mich bei Luis. Schrieb die Strafarbeit.
Nun kommt noch eine Strafarbeit. In Biologie.

Ich muss zehnmal schreiben: »Das Echte Springkraut heißt auch Impatiens noli-tangere oder Rührmichnichtan.«
Warten Sie wieder, bitte …
Ja. So. Warum jetzt dies?
Ich hatte neulich den Physiker Hasinger mit seiner These zitiert, das Nichts sei nicht leer, sondern der höchste Energiezustand des Universums, bis zum Zerreißen gespannt, »ähnlich wie die Schoten der Rührmichnichtan-Pflanze«. Darauf hatte ich behauptet, die Rührmichnichtan-Pflanze sei die Mimose, deren Fiederblättchen sich bei Berührung zusammenrollen. Was bei Berührung explodiere, sei die Schote des Drüsigen Springkrauts.

Daraufhin bekam ich von Frau Dr. B. aus München eine Mail mit der Überschrift »Peinlich, peinlich, Herr Hacke!« und dem Inhalt, ich hätte mich »nicht-Recht-habend oberlehrerhaft vergaloppiert«. Herr Hasinger spreche nicht vom Drüsigen Springkraut, sondern vom Echten Springkraut, dem einheimischen mit den großen gelben Blüten, und sie schlage vor, ich solle mir das Lexikon der Pflanzenwelt von Ullstein zulegen.

Dies tat ich und fand unter dem Stichwort »Springkraut« einen Verweis zu »Balsaminengewächse«, darunter die Erklärung, die Frucht der Gattung Impatiens sei »eine mehrsamige längliche Kapsel, deren Klappen sich bei leisester Berührung plötzlich ablösen und einrollen, wodurch die Samen oft weit fort geschleudert werden (dt. Name ›Springkraut‹!).« Dann weiter: »Einheimisch ist bei uns das ›Echte Springkraut‹ (I. noli-tangere, ›Rührmichnichtan‹)…«

Es war also falsch, was ich geschrieben hatte. Ich hatte mich in einem Dickicht aus Echten Springkräutern, Drüsigen Springkräutern und Mimosen verirrt, mein Nichtwissen in die Welt geschleudert wie Impatiens seinen Samen, bräsig und eitel. Der galoppierende Oberlehrer in mir war mit mir durchgegangen – äh …
Was ist denn das für eine Formulierung!?
Das Jahr hört irgendwie nicht gut auf für mich.

Illustration: Dirk Schmidt