Die Hitze, der Sommer, der Durst

Axel Hacke weiß mit seiner Wäscheleine nichts mehr anzufangen und fragt sich, wohin das mit der Zlimazatazztrophe noch führen soll.

Als ich in diesem Sommer zehn triefend nasse Wäschestücke auf die Leine im Garten hängte, und als ich dann, als ich gerade das zehnte Wäschestück hingehängt hatte, feststellte, dass das erste, gerade (triefend nass, wie gesagt) hingehängte Wäschestück schon – bitte, sehen Sie mir die Ausdrucksweise nach – furztrocken war, da dachte ich: Ist schon ein verdammt heißer Sommer, dieser Sommer.

Übrigens sollte keiner groß über Hitze reden, der nicht Flann O’Briens Einakter Durst gelesen oder, besser noch, von Harry Rowohlt gelesen gehört hat, ja, Flann O’Brien, geboren als Brian O’Nolan oder irisch Brian Ó Nualláin (weiß ich doch nicht, wie man das ausspricht), 1911 bis 1966, irischer Schriftsteller, über den Harry Rowohlt sagte: »So hätte Joyce geschrieben, wenn er nicht so bescheuert gewesen wäre.«

Jedenfalls sitzt da Mr C., der Wirt, mit zwei Gästen in seinem Pub, die Sperrstunde ist überschritten, der Sergeant klopft an die Tür, Unheil droht, und die einzige Lösung ist, dem Sergeant solchen Durst zu verursachen, dass er … Klar, oder? Und Mr C. erzählt vom Krieg in Mesopotamien und der Hitze dort, »die bösartige, bleierne, brühende Bums-Hitze«, die einem die Augenbrauen nicht nur verschmorte, sondern sie schlicht und einfach vernichtete und einem die Haut »in Flocken und Spänen vom Gesicht« fallen ließ – und »aus dem Hals kam uns ein heißer, trockener Durst wie die Stichflamme aus dem Hochofen«. Und gegen diesen Durst war insofern nichts zu machen, als die Männer nämlich als Erstes ihre Feldflaschen wegwarfen, weil das Wasser darin so heiß war, dass es die Kehlen verbrüht hätte, die Flaschen waren ja aus »Anumillijum«, wie Mr C. nach etlichen Gläsern nur noch zu sagen in der Lage ist, und …
Na, das Ende wird nun aber nicht verraten.

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Also, früher – Durst ist von 1943, wie ich meine – hat man ja noch anders über Hitze schreiben können, entspannter, heiterer. Hitze war ein vorübergehendes Phänomen, im Schatten konnte man sie auch genießen. Aber heute?

Man hat ja immer gleich schlimme Wörter im Kopf, von A wie Autkrebs bis Z wie Zlimazatazztrophe, und dann kommt auch noch die Sonntagszeitung und interviewt einen pensionierten Berner Klima-forscher, der in diesen Tagen, nachdem er in der Aare schwimmen war, abends eine Stunde lang seinen Garten wässern muss und dann noch den Garten des Nachbarn, und der nun sagt: 1540, ja, »die Dürre von 1540 überragt alles Bekannte«. Tageshöchstwerte von mehr als vierzig Grad, elf Monate kaum Regen, trockenen Fußes über den Rhein bei Köln, die Insel Lindau im Bodensee mangels Wasser keine Insel mehr, Megadürre, Notschlachtung allen Viehs, Bitt­prozessionen für Regen, viele Tote, Brände überall. Ich werfe den Laptop an und lese, schon 2014 stand im Spiegel: »Das Desaster kann sich wiederholen.« Sagt auch der Klimaforscher in der Sonntags­zeitung: Er warne schon lange. Die Sonntagszeitung ergänzt: »Langsam wird es ernst.«

Tja, was soll man sagen? Einerseits ist das Ende vermutlich nah, andererseits war es das schon immer. Einerseits ist ein heißer Sommer toll, andererseits wird es, seit ich denken kann, Tag für Tag langsam ernst und manchmal auch schnell. Einerseits haben wir es, wie jeder Vernünftige weiß, mit der rapiden Veränderung unserer Lebens­bedingungen zu tun, andererseits könnte man heute Abend zum See fahren und hineinspringen.

Einerseits gibt es das Klima, andererseits das Wetter, und weil wir gerade vom Ende reden: Ich werde das Ende von Durst wirklich nicht verraten, weil es so schön ist, dass man es selbst lesen oder besser noch eben hören sollte, aber ganz kurz vor dem Ende steht der Satz: »Der Sergeant tritt an den Tresen, ergreift ein Glas nach dem anderen und leert es.«

Das ist, bitte sehr, kurz vor dem Ende wahrscheinlich immer die beste Lösung.