Der Stand-by-Modus technischer Geräte, jene Mittelstellung zwischen »An« und »Aus«, ist gleichermaßen Gegenstand der Geißelung wie der Glorifizierung. Von ökologischer Seite wird der »Bereitschaftsbetrieb« regelmäßig als größter Feind eines gewissenhaften Energieverbrauchs ausgemacht. Studien weisen in eindringlichen Vergleichen darauf hin, wie viel Strom in Deutschland jährlich durch die Stand-by-Funktion von Fernsehern, Stereoanlagen, DVD-Playern, Computern verbraucht wird: der Bedarf einer mittleren Großstadt oder die Gesamtmenge des per Windenergie erzeugten Stroms. Mit welchem Aufwand der Kampf gegen den Stand-by-Modus mittlerweile geführt wird, zeigt sich etwa daran, dass das Umweltbundesamt diesem Thema eine eigene Broschüre widmet, Neues zum Thema Leerlaufverluste, die seit 1998 mehrmals im Jahr erscheint. Der Tonfall dieser Publikationen ist von einer Art Pädagogik des Energieverbrauchs geprägt: Es gibt eine harte Grenzziehung zwischen dem »nützlichen« Verbrauch einerseits (die tatsächlich laufenden Geräte) und der Stand-by-Funktion andererseits, einem Modus der »Verschwendung«, »Vergeudung« und »Nutzlosigkeit«, wie es in den Artikeln immer wieder heißt. Guter Strom, böser Strom: Stand-by ist das Sinnbild des »Leerlaufs«, des verantwortungslosen Überflusses. Diesem Zugang genau entgegengesetzt ist die Einschätzung der Kommunikationsmanager und Technikapologeten. Arbeitet die Ökologie an der möglichst klaren Scheidung von Ein und Aus, besteht die Sehnsucht in diesem Milieu darin, den Übergang im Dienste der Anschlussfähigkeit immer unmerklicher zu gestalten und sogar zum Verschwinden zu bringen. Computer oder Handys sollen in naher Zukunft, wie das aktuelle Schlagwort »Always-on« beschwört, überhaupt nicht mehr abschaltbar sein. In der Stand-by-Kultur gibt es das zeitraubende Aktivieren und Hochfahren nicht mehr; die Geräte kennen keinen tiefen Schlaf des Off, sondern allenfalls einen leichten Schlummer, aus dem sie nach jeder noch so sanften Berührung augenblicklich erwachen. Die profane Frage des Stromverbrauchs ist vor dem Hintergrund der reibungslosen Einpassung in die Abläufe der Informations-gesellschaft zu vernachlässigen. Vielmehr gewährt die Überwindung der hölzernen Ein-Aus-Zweiteilung den Zutritt zum Wettbewerb. Was die Energiepädagogen als »Leerlauf« verdammen, ist in diesem Verständnis »Vernetzung«, Grundvoraussetzung moderner Lebensführung.Interessant an den grundverschiedenen Wahrnehmungen des Stand-by-Modus ist letzten Endes die Frage, wo genau diese Zwischenstellung auf dem Weg von »Ein« zu »Aus« zu lokalisieren sei. Nicht genau in der Mitte – darin wären sich beide Parteien einig. Für die einen ist Stand-by nichts als eine betrügerische Kategorie, ein Strom fressendes »Schein-Aus« (so eine beliebte Formulierung), das sich über die eigentliche Aus-Funktion gelegt hat. Für die anderen ist der Stand-by-Modus dagegen ganz nahe am »On«, gewissermaßen seine Grundvoraussetzung, denn nur die ständige Aktionsbereitschaft sorgt dafür, dass die tatsächlichen Datenströme auch optimal fließen können. Zwei Vorstellungsbilder von Strom konkurrieren in dieser Auseinandersetzung: ein ökonomisches, das ihn nur als zeitweilig aktiven Zulieferungskanal von Daten ansieht, der in dem Moment unterbrochen werden muss, in dem diese Lieferung angekommen ist; ein ideelles, das ihn als unaufhörlich fließendes Symbol moderner Kommunikation begreift.»Bereitschaft« aber ist eine Kategorie, deren Standort zwischen Null und Eins, zwischen Nein und Ja unklar ist. Man erkennt dieses Problem auch in ganz anderen Zusammenhängen als dem technischen, etwa in den jüngsten Diskussionen um die Bezahlung des »Bereitschaftsdiensts« bei Ärzten, in denen es letztlich um dieselben Fragen geht: Liegt diese Arbeit näher an der Freizeit oder an regulärer Arbeit; sollte sich die Vergütung an jenem oder an diesem Endpunkt der Skala orientieren? »Stand-by«: Im Zwischenbereich der digitalen Einheiten lauert das Missverständnis.