Sommerhaus, sehr viel später

Ökologisches Wohnen muss nicht automatisch nach Holzhütte aussehen. Drei Architekten planen jetzt ein Gebäude, das Luxus und Umweltbewusstsein verbindet.

Die Namen Elizabeth Diller und Richard Scofidio Hand stehen für fortschrittliche und extravagante Architektur, die auch die Massen zu begeistern vermag. Vor fünf Jahren installierten die New Yorker Architekten ein Stahlgerüst auf dem Neuenburgersee, das von einer künstlich erzeugten Dampfwolke verhüllt wurde – das »Blur Building« war die Besucherattraktion der Schweizer Expo 2002. Voriges Jahr öffnete in Boston ein Kunstmuseum am Hafen, nach einem Entwurf der beiden Architekten – sofort hieß es, die Stadt habe ein neues Wahrzeichen. Die New York Times nennt Diller und Scofidio, die seit drei Jahrzehnten miteinander verheiratet sind, das »intelligenteste Architektenteam der ganzen Stadt«.

Nun haben die beiden ein Wohnhaus entworfen, das nicht nur sehr luxuriös aussieht, sondern auch mehr Energie erzeugt, als es verbraucht. Es existiert zwar bisher nur als Studie, aber die Botschaft steht schon fest: Bewohner von Ökohäusern müssen keinesfalls auf Lebensqualität verzichten. Der Genuss ohne Reue findet auf zwei Etagen statt. Dabei entspricht die erste Ebene eher nicht den Vorstellungen des durchschnittlichen Häuslebauers: Sie hat keine Außenwände. Dennoch kann der Bewohner auch hier essen, arbeiten, duschen oder ausspannen. Wenn das Wetter den Aufenthalt im Freien verhindert, bleibt immer noch die geschützte, aber kaum weniger transparente zweite Etage. Wie sehr Diller, Scofidio und ihr Büropartner Charles Renfro bei ihrem Projekt auf Effizienz bedacht waren, zeigt etwa das Fitnesslaufband: Die beim Sport erzeugte Energie wird in Strom umgewandelt und in einer Batterie gespeichert. Auch wenn das Haus teilweise sehr futuristisch wirkt, basiert es weitgehend auf bereits existierender Technologie, sagen die Architekten.

In dem Entwurf lehnt sich das Haus an einen Berg oberhalb einer Großstadt im warmen Südwesten der USA. Die Lage spielt natürlich eine entscheidende Rolle für die Energiebilanz. In Europa müsste das Ökohaus der amerikanischen Stararchitekten wohl eher in Süd-italien oder Spanien stehen als in Kiel oder Bottrop. Das heißt jedoch nicht, dass es aus deutscher Sicht irrelevant wäre. In den heißen und trockenen Sommern der vergangenen Jahre haben wir schließlich gelernt, dass die Wüste näher rückt. Außerdem könnte sich die hiesige Architektenzunft inspiriert fühlen, dem Thema »ökologisches Bauen« mehr Kreativität und Enthusiasmus zu schenken als bisher und dieses zukunftsträchtige Feld nicht länger idealistischen Ingenieuren und Bürgerinitiativen zu überlassen. 

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(Foto: Studie der amerikanischen Stararchitekten Diller Scofidio + Renfro. Sie verdeutlicht eindrucksvoll, dass man, umgeben von Solarzellen, Wärmepumpe und Regenwasserzisterne, auch äußerst stilvoll leben kann.)

(Foto: Das Ökohaus produziert im Tagesverlauf mehr Energie, als es verbraucht. Im Garten wachsen nur Pflanzen aus der Region, die unter den Bodenverhältnissen gedeihen und keine übermäßige Düngung erfordern.

Die Solarzellen auf dem Dach gehören dem Stromversorger, der sie an die Bewohner vermietet. Überschüssigen Strom kann er weiterverkaufen. So wird er im eigenen Interesse stets die neueste Technik installieren.

Bei Regen fährt auf dem Dach eine Membran aus. Die Dachfläche verdoppelt sich und fängt mehr Wasser auf. Dieses Wasser wird in die Zisterne geleitet (links neben dem Pool) und in den Toiletten sowie für die Bewässerung des Gartens und der Rasenflächen verbraucht.

Die verschiedenen Bereiche des Lebens spiegeln sich auf beiden Ebenen des Ökohauses wider, mal außen und mal innen : Essen, Wohnen, Sport, Bad, Schlafen.

Eine Wärmepumpenanlage nutzt die Erdwärme, um das Haus klimafreundlich zu heizen. Zusätzlich wird die kühle Nachtluft in den Kammern unterhalb des Pools gespeichert und bei Bedarf in die Räume geleitet.)

(Foto: Die Fensterscheiben sind aus einem besonderen Material und verdunkeln oder hellen sich auf, je nach Intensität der Sonne. Sie lassen sich auch manuell verdunkeln, etwa als Schutz gegen die neugierigen Blicke der Nachbarn.)

(Foto: Wichtige Kontrollfunktionen des Ökohauses –Heizung, Ventilatoren – lassen sich über das Handy fernsteuern. Ein sinnvoller Luxus: Ist das Haus leer, kann der Energieverbrauch auf ein Minimum heruntergefahren werden. Bei der Rückkehr ist es wieder wohltemperiert.)

(Foto: Der Boden des Ökopools ist auf hydraulischen Beinen befestigt und wird zum Beispiel bei großer Hitze hochgefahren. Damit verdunstet weniger Wasser. Fährt man den Boden noch weiter hoch, lässt sich der Pool als Liegefläche nutzen.)

(Foto: Der offene Kamin heizt nicht nur, er kann auch kühlen: Sein oberes Ende wird mit Wasser besprüht. Das Wasser verdunstet und kühlt die Luft ab. Die kühle Luft sinkt über den Kaminschacht ins Wohnzimmer ab und breitet sich dort aus.)

(Foto: Die Bewohner können sich auf zwei Stockwerken vom Kühlschrank bedienen. Das Förderband transportiert den gewünschten Artikel zur Öffnung, die relativ klein ist, um den Energieverlust beim Öffnen möglichst gering zu halten.)