»Die Abschaffung der Pendlerpauschale fand ich eine politisch und ökologisch richtige Entscheidung, das Gewese um ihre Wiedereinführung einfach lächerlich. Allerdings gehöre ich selbst zu dem Personenkreis, der von der Wiedereinführung profitieren könnte – ist es nun verlogen oder moralisch fragwürdig, wenn ich entgegen meiner politischen Überzeugung, aber zugunsten meines Bankkontos bei der nächsten Einkommensteuererklärung die Pendlerpauschale geltend mache?« Sabrina P., Bayreuth
In der Diskussion um die Entfernungspauschale, so die offizielle Bezeichnung, wurde der Betrag von 2,5 Milliarden Euro genannt, den allein die Wiedereinführung der alten Regelung – 30 Cent pauschale Aufwendungen ab dem ersten statt zwanzigsten Kilometer – jährlich kostet. Das ist grob überschlägig ein halber Tiefbahnhof oder anders gerechnet gut 30 Euro pro Bundesbürger. Und diese 30 Euro sind nicht nur ein Zahlenspiel, sondern zeigen meiner Meinung nach einen wichtigen Aspekt: Steuern dienen in erster Linie der Finanzierung des Staates, und der Staat sind wir. Und auch wenn Ihnen eine Bestimmung nicht gefällt, tragen Sie trotzdem deren Auswirkung zu einem 80-Millionstel mit: indem Sie an anderer Stelle mehr zahlen müssen, der Staat weniger für seine Bürger erbringen kann oder mehr Schulden macht, die Sie mit zurückzahlen müssen.
Ginge es um höhere Steuern, hätten Sie ohnehin kaum eine Wahl und müssten zahlen. Würde umgekehrt der allgemeine Steuersatz gesenkt und Sie halten das für unsozial, könnte man kaum verlangen, dass Sie freiwillig mehr zahlen. Anders ausgedrückt, die Steuererklärung hat kein Feld, in dem man »gerne mehr« ankreuzen kann. Hier aber liegt tatsächlich der spezielle Fall vor, dass Sie frei entscheiden können, ob Sie die Pauschale geltend machen oder nicht.
Wenn Sie ein Gegner der Pauschale sind, stehen sich dabei zwei Prinzipien gegenüber: die – auch Sie einschließende – Allgemeinwirkung des Steuersystems, das sich ja gerade auch durch Gleichbehandlung auszeichnen soll, einerseits und Ihre persönlichen Einstellungen andererseits. Dieser Widerspruch lässt sich nicht auflösen, man kann nur überlegen, welcher Seite in Ihrem Fall mehr Gewicht zukommt. Und da scheint mir folgende Abwägung sinnvoll: Wenn Sie die Pendlerpauschale nur als unzweckmäßige Lösung erachten, können Sie die demokratisch zustande gekommene Regelung hinnehmen und sie auch selbst geltend machen. Denn Sie finanzieren sie gegen Ihren Willen an anderer Stelle mit und werden dort auch nicht gefragt. Halten Sie sie hingegen für dezidiert falsch – danach klingt es in Ihrer Frage – und lehnen sie deshalb kategorisch ab, senkt sich die Waagschale zur anderen Seite. Dann wäre es tatsächlich eigenartig, wenn Sie von etwas, was Sie so sehr ablehnen, dennoch profitieren. Im Grunde ändert sich zwar nichts an der Situation, aber die Gewichte verschieben sich.
Rainer Erlinger hat nachgelesen:
EStG § 9 Werbungskosten (1) Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Werbungskosten sind auch ...
4. Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die regelmäßige Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte von 0,30 Euro anzusetzen, höchstens jedoch 4 500 Euro im Kalenderjahr; ein höherer Betrag als 4 500 Euro ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt. Die Entfernungspauschale gilt nicht für Flugstrecken und Strecken mit steuerfreier Sammelbeförderung nach § 3 Nummer 32.
Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte maßgebend; eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte benutzt wird. Nach § 8 Absatz 3 steuerfreie Sachbezüge für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte mindern den nach Satz 2 abziehbaren Betrag; ist der Arbeitgeber selbst der Verkehrsträger, ist der Preis anzusetzen, den ein dritter Arbeitgeber an den Verkehrsträger zu entrichten hätte. Hat ein Arbeitnehmer mehrere Wohnungen, so sind die Wege von einer Wohnung, die nicht der regelmäßigen Arbeitsstätte am nächsten liegt, nur zu berücksichtigen, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers bildet und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird;
5. notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Aufwendungen für die Wege vom Beschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstands und zurück (Familienheimfahrten) können jeweils nur für eine Familienheimfahrt wöchentlich abgezogen werden. Zur Abgeltung der Aufwendungen für eine Familienheimfahrt ist eine Entfernungspauschale von 0,30 Euro für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen dem Ort des eigenen Hausstands und dem Beschäftigungsort anzusetzen. Nummer 4 Satz 3 bis 5 ist entsprechend anzuwenden. Aufwendungen für Familienheimfahrten mit einem dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Einkunftsart überlassenen Kraftfahrzeug werden nicht berücksichtigt.
Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9.12.2008 Az - 2 BvL 1/07 - 2 BvL 2/07 - 2 BvL 1/08 - 2 BvL 2/08 – Online hier abrufbar.
Illustration: Marc Herold