Tanz mit mir den Weißbier-Walzer

Für unseren Autor steht Weißbier für Sorglosigkeit, Lebensfreude und gutes Wetter. Das liegt aber weniger am Getränk selbst, als an einer ungewöhnlich erfolgreichen Werbemaßnahme.

Foto: Maurizio Di Iorio

Ich habe lange überlegt, was mir zum Thema Weißbier einfällt. Ich habe sogar ein paar getrunken, um meine Fantasie anzuregen, aber alles, was mir in den Sinn kam, war – ganz kurz – Waldemar Hartmann und dann bis zum letzten Schluck: Touristen aus Japan, Radieschen auf Holzbrettern, Schloss Neuschwanstein. Es ist, als ob man das eine nicht ohne das andere denken könnte.

Schuld ist die aufgeweckte Marketing-Truppe der Privatbrauerei Erdinger, die es tatsächlich geschafft hat, dass ich kein Weißbier (egal welcher Brauerei) mehr trinken kann, ohne im Hintergrund den legendären Weißbier-Walzer im Dreivierteltakt aus den Werbespots zu hören, ja ehrlich gesagt habe ich sogar jedes Mal das Gefühl, dass irgendwo aus dem Gebüsch eine Kamera auf mich gerichtet ist, weil die Szene, ach, eigentlich das ganze Leben gerade so wunderbar, ja eigentlich perfekt ist. Weißbier, das ist Lebensfreude, Zuversicht und die Hoffnung, dass irgendein bayerischer Ministerpräsident trotz Klimakrise und Insektensterben am Ende schon alles richten wird. Weißbier, das ist Wochenende, Sorglosigkeit und ganz wichtig: keine Termine. Oder wie Klaus Augenthaler mal gesagt hat: »Das Gute am Weißbier: Es kann von 11 Uhr morgens bis zum Frühstück getrunken werden.«

Ich trinke gern Weißbier, nach einer Wanderung, nach dem Sport (»ein leichtes, bitte«), aber nur unter freiem Himmel, auf einer Hütte, einer Terrasse, auf einer hölzernen Bank im Hof, wenn die Sonne die letzten Strahlen des Tages auf die Erde schickt, wenn alles golden leuchtet und höchstens ein paar Mücken stören, wenn sie nicht eigentlich dazugehören würden.

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Im Leben nicht käme ich auf die Idee, mir ein Weißbier einzuschenken, wenn es nieselt, ein Kaminfeuer brennt oder Musik von Nick Cave läuft. Weißbier und Herbst, Weißbier und Wehmut, das passt nicht. Es ist skandalös, aber während ich diese Zeilen schreibe, fällt mir auf, dass Erdinger es tatsächlich geschafft hat, dass ich seit zwanzig Jahren wie ein Pawlow’scher Hund reagiere und versuche, diese Spots nachzuspielen. Hätte ich einen Schnauzer, wahrscheinlich würde ich mir mit Genuss den weißen Schaum aus dem Bart lecken und halb zufrieden, halb albern dreinschauen. Ich habe mich gefragt, ob es anderen Menschen auch so geht, und eine WhatsApp-Nachricht an ein paar Freunde geschickt: »Was fällt euch zu Weißbier ein?« Fünf Minuten später hatte ich folgende Antworten:

– »Geil, wenn man nicht genug Geld für ein Abendessen dabei hat«

– »Beeindruckend, wenn man es einschenken kann«

– »Dass es gut zur Kommerzialisierung des Fußballs passt, dass man es nicht trinkt, sondern sich über den Kopf schüttet«

– »Hä?«

– »Dass man außerhalb Bayerns immer erklären muss, was man eigentlich haben möchte«

– »Das Etikett von Ayinger, weil es so ein süßes Missverständnis zwischen Andy Warhol und Bayern ist«

– »Passt besser zu Fußballschauen im Biergarten als jedes andere Getränk«

– »Ich mag nur das leichte«

– »Dass die Kastanien in den Biergärten alle sterben und ich dann nie wieder Weißbier trinken will«

Und wieder zwei Sachen gelernt: Ich habe tolle Freunde und schaue definitiv zu viel fern.