Dieser Text wird Menschen vor den Kopf stoßen, die es gut mir meinen. Das Gutmeinen ist Teil des Problems. Es begegnet mir auf Familienfeiern und Sommerfesten, sogar auf Ansichtskarten. Da steht in etwa: »Wir schicken euch die liebsten Grüße aus XXX und können es kaum erwarten, dass ihr bald zu dritt seid! Wann geht’s endlich los?«
Dieser Gruß klingt, als wäre ich im neunten Monat schwanger. Bin ich nicht. Er klingt, als hätten die Kartenschreiberin und ich schon hundertmal über das Thema Kinder gesprochen. Haben wir nicht. Dieser Gruß ist nett gemeint, wirklich, das weiß ich. Meine Freundin wünscht sich für mich ein Leben mit Kind, weil sie selbst das Leben mit Kind als gutes Leben erlebt. Gleichzeitig suggeriert der Gruß, dass ein Leben ohne Kind nicht ganz so gut sein kann, und das finde ich nicht so nett.
Andere Situation: Lauer Sommerabend, kleine Gartenparty, Freunde, Familie, ein Großteil der Gäste ist um die sechzig, ich trage das einzige Baby durch den Raum. Erste Begegnung: »Das ging jetzt aber schnell!« Alle lachen. Zweite Begegnung: »Übt ihr schon?« Einigen Umstehenden ist diese Frage peinlich, der Fragende kichert. Dritte Begegnung: »Woher kommt das Ticken – oder ist das deine biologische Uhr?« Ich tue, als hätte ich das nicht gehört, und unterhalte mich in die andere Richtung. Was hätte ich antworten sollen? »Du solltest mal meine Eierstöcke sehen, die haben mittlerweile Zeiger?« Vielleicht muss ich mir für die nächste Feier einen Spickzettel mit Antworten schreiben, die noch dümmer sind als die Fragen.
Denn diese Fragen kommen, da kann ich mir sicher sein. Sobald ich ein Kind auf den Schoß nehme, prasseln die lustigen Bemerkungen auf mich ein wie Hagel auf ein Wellblechdach. Ich nehme mittlerweile keine Babys mehr auf den Arm, wenn ich von älteren, mir nahestehenden Personen umgeben bin. Was schade ist, für mich und für die Babys.
Das Witzeln begann kurz vor meinem 28. Geburtstag, als ich schon viele Jahre lang in einer Beziehung war und seit ein paar Jahren im Job. Interessanterweise endete das Sprücheklopfen dann genauso abrupt wie meine damalige Beziehung. Seitdem ich verheiratet bin, ist es Dauerthema. Die K-Frage bekommen nämlich besonders Frauen und viel seltener Männer gestellt, und vor allem Frauen, die gebunden sind. Auch Single-Frauen können gebären, haben einen Kinderwunsch oder eben nicht. Trotzdem fragt sie keiner, aus Rücksicht auf ihre Gefühle oder aus Furcht vor Fettnäpfchen. Aber vielleicht sprächen manche Single-Frauen gern mal über das Thema Kinder, also ernsthaft, und damit sind wir beim eigentlichen Problem.
Das Problem ist nicht die K-Frage, sondern die Art, wie sie gestellt wird: im Witz oder gar nicht. Auf einen Witz kann man schwer mit einer ernsten Antwort reagieren. Und auf keine Frage kann man nicht antworten. Dabei gäbe es viel zu besprechen!
Natürlich stelle ich mir die K-Frage. Tatsächlich würde ich mich gern mal mit meinem Onkel oder einer alten Freundin meiner Mutter über das Thema unterhalten, mit älteren Menschen, die mir nicht so nahestehen wie meine Eltern, mir aber nicht fremd sind. Wer eine junge Frau fragt, wann sie ihr erstes Kind bekommen möchte, fragt sie auch, wie sie sich ihr Leben vorstellt. Nicht jede Frau will Mutter werden, nicht jede Frau kann ohne Weiteres Mutter werden. Wer nach Kindern fragt, fragt nach Partnerschaft, Gleichberechtigung, Erziehungsarbeit, Geld. Die K-Frage ist eine große Frage, die mitunter schmerzhafte Antworten hervorbringt, die Interesse voraussetzt und die Bereitschaft, sein eigenes, oft für selbstverständlich gehaltenes Lebensmodell auch mal in Zweifel zu ziehen.
Liebe Onkel, Tanten, Freunde der Familie, wenn ihr wissen wollt, wann es bei uns »endlich« losgeht, fragt – aber seid so nett und erzählt dann auch aufrichtig von euch selbst.