»Ist das klassische Kompliment Mann – Frau (›Gabi, Schwarz steht dir so dermaßen gut, du schaust toll aus!‹) nicht zwangsläufig übergriffig und sexistisch?« Heike F., Berlin
Wie so vieles im Leben, und das wird ja in letzter Zeit zugunsten einer möglichst unkomplizierten Meinungsbildung wahnsinnig gerne übersehen, kommt das ganz darauf an. Ist der Mann, der einer schwarz gekleideten Frau namens Gabriele, kurz: Gabi, diesen Satz sagt, dabei zum Beispiel nackt und vielleicht sogar ihr Chef, der sie, die ihn niemals nackt sehen wollte, in sein Büro gerufen und dort im Adamskostüm überrascht hat, spricht alles dafür, diese Bemerkung in der Tat für grob übergriffig und sexistisch zu halten. Wenn es aber zum Beispiel ein Kollege sagt, weil er es halt findet, was soll daran bitte schön sexistisch und übergriffig sein? Sogar ein Chef, angezogen, kann diesen Satz so sagen, dass sich eine Frau darüber freuen kann, weil sie sich natürlich nicht extra so angezogen hat, oder sich überhaupt jemals so anzieht, dass andere Menschen, darunter auch Männer, beleidigt wegsehen. Nicht extra jedenfalls. In einem bestimmten Ausnahmefall dürfte sogar ein vollkommen unbekleideter Chef dieses Kompliment machen (= die schwarz gekleidete Frau, ihrem Chef eher gewogen, will ihn unbedingt nackt sehen).
Angeblich ist es ja auch eine unfassbare Beleidigung, wenn Männer, Bauarbeiter oder aus anderen Berufsgruppen, Frauen nachpfeifen. Hier eine wahre Geschichte aus meinem Leben: Ich war mal mit Freundinnen in Südamerika unterwegs. Vorher hatte man uns gewarnt, die Männer würden einem da ständig nachpfeifen. Bei uns so: Pustekuchen. Überall südamerikanische Männer, aber keiner pfiff. Was waren wir irritiert, um nicht zu sagen beleidigt. Waren wir denn etwa keine Frauen, denen man nachpfeift? Wütend stolzierten wir durchs stille Cusco. Was ich damit sagen will: Ist schon richtig, sich als Mann gerade viele Fragen zu stellen und selbst zu prüfen, aber wenn man kein hoffnungsloses Arschloch ist, wird man schon wissen, was wann geht und was nicht.