Das Pink-Floyd-Dilemma

Unser Leser steckt in einer moralischen Zwickmühle: Kann er trotz fragwürdiger Ansichten des Pink-Floyd-Gründers Roger Waters dessen Konzert besuchen?

Illustration: Serge Bloch

»Ich bin seit meiner Jugend Pink-Floyd-Fan, habe unzählige Platten, auch von Roger Waters als Solokünstler. Es wäre toll, die ganzen alten Hits noch einmal live zu sehen und zu hören. Aber Waters’ politische und sonstige Ansichten, sein Geschwurbel, seine Zustimmung zum Ukraine-Krieg und so weiter sind für mich ein absolutes No-Go. Ich verurteile das zutiefst. Soll ich das Konzert von Roger Waters in München besuchen? Ich stecke in einer riesigen moralischen Zwickmühle.« Thomas B., per Mail

Sie stellen eine der großen Fragen ­unserer Zeit: Soll man Künstler und Werk trennen, kann man es überhaupt? Es gibt darauf unterschiedliche Antworten, die beste, die ich bisher gehört habe, kommt von der französischen Schriftstellerin Leïla Slimani. Sie würde die Frage, ob man noch Heidegger, Céline und Nabokov lesen könne, noch Wagner hören oder die Werke Gauguins bewundern, folgendermaßen beant­worten, sagte sie 2021 beim ­Internationalen Literaturfestival Berlin: Wir sollten aufhören, Leser oder Zuschauer wie Idioten zu be­handeln. Man könne von ­einem Werk begeistert sein und zugleich dessen Schöpfer für verachtenswert halten.
Ich mochte daran, dass Slimani offenbar noch an die Fähigkeit des Menschen glaubt, ­Widersprüche auszuhalten und die Welt differenzierter zu betrachten als: gut oder böse, darf bleiben oder muss weg.

Ohne mich hier herausmogeln zu wollen, muss ich Ihre Frage an Sie zurückreichen: Nur Sie können entscheiden, ob Sie sich aus reiner Sentimentalität und trotz schlechten Gewissens eine Karte kaufen wollen. Vielleicht sticht Ihre Liebe zu Roger Walters’ Frühwerk ja wirklich die Tatsache, dass der glühende BDS-Anhänger bei früheren Konzerten ein unter anderem mit dem Davidstern bedrucktes aufblasbares Schwein über die Köpfe ­seiner Fans fliegen und anschließend zer­stören ließ. Für mich wäre allein das ein Grund, nicht hinzugehen, ­allerdings gefällt mir seine Musik sowieso nicht. Dafür gestehe ich, ­Célines Reise ans Ende der Nacht sehr g­erne gelesen zu haben, gewisser-maßen gegen meinen eigenen Willen.

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Ich habe für Sie nachgeguckt: Am 21. Mai, dem Abend, an dem Waters in München spielt, gibt es im Cuvilliés-Theater bestimmt ein sehr schönes Festkonzert, und in der Isarphilharmonie sind schon am Nach­mittag Klaus Maria Bran­dauer und das ­Mozarteumorchester Salzburg mit Ein Sommer­nachtstraum zu sehen.