Ein Bekannter erzählte mir, dass er mit seiner Freundin lernen möchte, wie man Mozzarella macht. »Am Ende können wir dann im Eimer einen mit nach Hause nehmen«, berichtete er begeistert. Ich dachte: Käse bringt es irgendwie auf den Punkt.
Seit einiger Zeit beobachte ich bei den Paaren in meiner Umgebung folgendes Phänomen: Sie leben nicht mehr einfach nur zusammen und unternehmen gemeinsame Dinge, sondern sie haben Projekte. Sie werden zu Surfern, aber statt bloß einen Kurs im Urlaub zu machen, laden sie sich aufs Handy unterschiedlichste Wellen-Apps und verbringen die Samstagnachmittage auf der Suche nach dem perfekten »Neo« im Partnerlook. Andere kaufen sich einen Bully, fahren zum »Caravan Salon« und versehen in den Folgemonaten ihre Instagram-Einträge mit »#vanlife«. Und die Dritten machen eben Mozzarella, verarbeiten Fleisch mit Bratenthermometer, Schmortopf oder Weber-Profi-Grill und nennen sich gegenseitig liebevoll »Foodie«.
Mein Mann und ich sind, nun ja, anders. Uns eint der Wille, uns die nächste Folge von The Americans anzuschauen, ohne dass einer von uns beiden einschläft. Unser jüngstes Projekt – ein gemeinsamer Umzug – zeigt sich zwei Jahre später noch an nackten Glühbirnen im Flur. Wir schieben das darauf, dass wir ein kleines Kind haben. Dass wir viel arbeiten. Und ständig irgendwas ist. Aber wenn wir ehrlich sind, stimmt das nicht. Wir sind seit neun Jahren zusammen und waren schon immer so. Als ich ihn einmal fragte, wann er in unserer Beziehung am glücklichsten sei, dachte er sehr lange nach und sagte dann: »Wenn du am Sonntag sagst: Komm, lass uns eine zweite Tasse Kaffee trinken.«
Wir hängen sehr gern zusammen rum. Und ist es nicht das, wie man sich Liebe immer vorgestellt hat? Dass man nichts anderes braucht als den anderen? Jedenfalls sicher keine Langzeitbeschäftigungsmaßnahmen, die alle Eigenschaften vereinen, die Romantik nicht haben kann: anstrengend, gewollt und spießig.
Doch in letzter Zeit kommen mir Zweifel, ob es wirklich so einfach ist. Zum Beispiel, als dieses Neu-Surfer-Paar auf einer Party von »Swells« und »Wipe Outs« erzählte und keiner außer ihnen wusste, was das ist. Da habe ich mich gefragt: Wann haben wir uns eigentlich das letzte Mal so verschwörerisch zugeblinzelt und auf eine zweisame Unternehmung hingefiebert? Oder an dem Abend ein paar Tage später, als wir wieder einmal drei Folgen The Americans hintereinander schauten und ich überlegte, ob wir die laute Serie inzwischen nicht vor allem deshalb anmachen, weil sie die müde Stille so gut überdeckt. Worüber werden wir uns wohl in ein paar Jahren unterhalten, wenn die Fragen »Wer holt wann ab?« und »Was gibt es morgen zum Essen?« nicht mehr nötig sind, weil das Kind ausgezogen ist und der Job nicht mehr so wichtig?
Esther Perel, eine der berühmtesten Paartherapeutinnen der Welt, spricht in ihrem Podcast immer wieder davon, es liege in der Natur des Menschen, neue Erfahrungen sammeln zu wollen. Ja, es sei geradezu lebensnotwendig – erst recht als Paar. Die Wahrheit ist: Die neue Netflix-Serie mag sich in Langzeitbeziehungen durchaus gut anfühlen, aber sie zählt nicht als neue Erfahrung. Sie wird uns auf Dauer nicht reichen, um als Paar zu überleben. Wer sich hingegen zu zweit in die Tiefen des Campinglebens und Fleischgarwahnsinns einarbeitet, der entwickelt sich weiter. Der schafft eine gemeinsame Zukunft. Am Ende steckt hinter dem so spießig wirkenden Aktionismus also vielleicht die wahre Leidenschaft. Der Wille, sich auch nach vielen Jahren Beziehung nicht dem bequemen Schicksal zu ergeben, sondern dem Alltag neue Abenteuer entgegenzusetzen.
Und es muss ja nicht das Handgepresster-Mozzarella-Abenteuer sein, sondern eines, das uns näher ist. Vor einigen Monaten kaufte mein Mann einen japanischen Handfilter sowie spezielle Bohnen zum Kaffeekochen. Ich habe mich zuerst über sein Nerdtum lustig gemacht, aber jetzt denke ich, dass er sich über ein gemeinsames Kaffeeseminar sicher sehr freuen würde. Und über eine fachgerechte Mahlmaschine, die uns jeden Sonntagmorgen versichert, dass es uns noch gibt.