Aufbruch

Der Beginn der Zukunft

Momentaufnahmen zu den wichtigsten Begriffen der Saison. Hier: Aufbruch
Ich habe 150 Angestellte und im vergangenen Jahr einen Umsatz von mehr als zwölf Millionen Pfund gemacht. In meiner Kartei stehen 70 000 Kunden und jeden Monat kommen etwa 1500 dazu. Ich verkaufe Designermode im Internet. Als ich im Jahr 2000 Net-A-Porter gründete, war ich auf diesem Gebiet eine der Ersten.

Ich kann kein »Nein« als Antwort akzeptieren. Schlaf gibt es bei mir frühestens nächste Woche und meiner jüngsten Tochter – sechs Monate alt – habe ich sehr bald zu verstehen gegeben, dass auch sie ihren Beitrag zum Familienfrieden leisten muss und deshalb besser durchschlafen sollte.

Mein Vorbild ist Anna Wintour, die Chefin der amerikanischen Vogue. Immer wenn ich mal nicht weiter weiß, frage ich mich: Was würde Anna jetzt tun?

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Wahrscheinlich entspreche ich genau dem Klischee der knallharten Businessfrau. Vielleicht bin ich heute sogar eine – als ich mich vor sechs Jahren selbstständig machte, war ich es mit Sicherheit nicht.

Zuvor hatte ich zehn Jahre als Modejournalistin für W, Women’s Wear Daily und Tatler gearbeitet. Meine einzige Erfahrung mit einer Führungsrolle beschränkte sich auf eine Assistentin, die mir ab und zu zur Hand ging. Zudem verfüge ich über keine klassische kaufmännische Ausbildung mit fünf Abschlüssen renommierter Wirtschaftsschulen; ich habe englische und japanische Literatur studiert. Und im Grund kam ich nur zu meinem eigenen Unternehmen, weil ich niemanden fand, der es machen wollte.

1996 zog ich von Los Angeles nach London, ich hatte plötzlich keine Lust mehr auf die Arbeit in der Redaktion und das Angestelltsein. Es war Zeit für einen Umbruch. Ich wollte zu Hause schreiben, frei sein. Mein Mann lieh mir seinen Computer und ich entdeckte das Internet – damals noch etwas völlig Neues.

Was ich allerdings nicht entdeckte, waren Online-Shops für Mode. Es gab einfach noch keine. Hey, dachte ich, das ist doch die Marktlücke: Luxusmode im Internet zu verkaufen. Doch alle Frauen, die ich kenne und die von Geschäften eine Ahnung haben, teilten meine Euphorie nicht im Geringsten. Ich glaubte an die Idee und wollte beweisen, dass sie funktioniert. Das war meine Motivation. Alle erklärten mich für verrückt, aber ich wusste, ich tue das Richtige. Hinter meinem Optimismus steckt übrigens mein Vater: Von ihm lernte ich, nie Angst davor zu haben, was auf der anderen Seite des Berges sein könnte.

Viele warnten mich: Wer gibt schon 1500 Euro für eine Jacke aus, die er vorher nicht mal anprobieren kann? Ich sagte: Erstens kann man die Jacke wieder zurückschicken, wenn sie einem nicht gefällt. Und die Versandkosten sind auch nicht teurer als das Benzin zur nächsten Boutique. Zweitens gibt es immer mehr Frauen, die ungern in Läden einkaufen, weil sie berühmt sind oder ihre Zeit lieber anders verbringen. Und drittens sagt einem jedes Modemagazin, was man unbedingt haben muss, und die Kundin sagt: »Her damit, will ich.« Aber dann gibt es das Teil nirgendwo zu kaufen.

Wir sagen auch: Du brauchst das und das und – ganz nebenbei – bei uns bekommst du es. Ich habe jetzt mein eigenes Unternehmen, aber etwas ist wie früher: Da fuhr ich zu den Modenschauen, und wenn ich zurückkam, da löcherten mich meine Freundinnen: »Erzähl mal, was gibt’s Neues?«

Natalie Massenet ist Inhaberin der Firma Net-A-Porter.com.