Träumen lernen

Ein Institut in Wien will dabei helfen, die Bilder der Nacht zu verstehen – und zu nutzen.

Der Mann, der das Träumen für die Wissenschaft entdeckt hat, er wusste noch nichts von Klarträumen. Dabei hatte Sigmund Freud doch die besten Voraussetzungen, machte jeden Tag ein Nickerchen auf seiner Chaiselongue in der Wiener Berggasse 19. Nachmittags, wenn der Schlaf leicht und kurz ist, tauchen Klarträume häufig auf. Klarträume sind die Träume, die man im Halbschlaf wahrnimmt, man kann sie beeinflussen, man kann entscheiden, ob man weiterträumt oder lieber aufwacht. Klarträume ähneln dem Zustand in Hypnose oder tiefer Trance. Man kann sich dagegen sträuben oder sich ihnen hingeben. Der Körper ist wahrnehmbar, aber die Glieder nicht zu bewegen. Klarträume tauchen nach der Tiefschlafphase auf, in der REM-Phase, wenn die Augen sich schnell und unkontrolliert bewegen, die Muskeln völlig erschlafft sind, nicht mehr unter Spannung stehen so wie im Tiefschlaf. Ein Zyklus von Tiefschlaf- und REM-Phase dauert zirka neunzig Minuten. Vier-, fünfmal pro Nacht kann also klarträumen, wer genug Schlaf findet, wobei die REM-Phasen gegen Ende der Nacht immer länger, die Tiefschlafphasen immer kürzer werden.

Man kann Klarträume verändern, und die Träume können einen Menschen verändern. Träum dich kreativ, träum dich selbstbewusst, träum dich zum Nichtraucher, träum dir die Angst weg. Geht alles.

Brigitte Holzinger will wissen, wie. Sie ist Psychotherapeutin, hat auch in Stanford Träume studiert und führt ein Institut für Bewusstseins- und Traumforschung in Wien, in Fußnähe zur Berggasse. Zu Holzinger kommen Leute, um träumen zu lernen. Wer besser träumt, der schläft besser. Traumtherapie soll auch bei Albträumen, Alkoholproblemen oder Rauchentwöhnung helfen. Die Träumer kommen abends oder nachmittags, üben das Träumen mit Entspannungsübungen auf Sitzkissen, trainieren, wie man sich die Träume vor dem Einschlafen fest vornimmt und sie noch während des Aufwachens sofort notiert. Die Seminarteilnehmer bringen Träume mit in die Runde und bekommen Aufgaben: einen fremden Traum weiterträumen, so wie bei der Stillen Post, ihn verändern, gemeinsam herausfinden, womit er sich beschäftigt. Aber bloß nicht allgemeingültige Symbole suchen, bloß nicht interpretieren!

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Wer während eines Entzugs von Alkohol träumt, hat paradoxerweise größere Chancen, trocken zu bleiben. Und nicht jeder Stock im Traum symbolisiert einen Penis, nicht jeder Traum hat eine sexuelle Bedeutung, da hat sich die moderne Traumforschung längst von ihrem Gründer entfernt. Holzinger sagt: »Jeder hat seine eigene Traumsprache, die durch persönliche Erfahrung geprägt wurde. Träume sind Gefühle in bewegten Bildern.« Man soll den Traum begehen, ihn sinnlich erfassen, die Traumerlebnisse mit den Alltagserfahrungen vergleichen und so die Sicht auf die Welt erweitern. Holzinger sagt: »Wir träumen alle viel zu wenig. Und wir interpretieren die Träume, statt sie wiederzuerleben.« Kinder denken in Bildern und tun sich leicht mit dem Übergang zwischen Traum- und Wachwelt. Babys lernen beim Träumen sogar die Welt kennen. Träumen ist gesund. Träumen kann sogar Frieden stiften, behauptet ein Kollege Holzingers. Wer sich seine Träume mitteilt, bringt sich nicht mehr um. Der Kollege möchte Palästinenser und Israelis zusammensetzen, auf dass sie sich ihre Träume erzählen.

SCHLAFEN
Hotel Altstadt Vienna, 7. Bezirk, DZ ab 149 euro, tel. 0043/1/522 66 66, altstadt.at

ESSEN

Café Landtmann, da ging schon Freud hin. ansonsten Das nächste Traum-Klartraum-Seminar findet vom 13. bis 16. Juli statt. Anmeldung über: Institut für Bewusstseins- und Traumforschung, Canongasse 13/1, A-1180 Wien, Tel. 0043/699/10 19 90 42

Illustration: Laura Junger