Man traut sich ja kaum noch zuzugeben, dass man in der Obst- und Gemüseabteilung schon wieder Koriander in den Einkaufswagen gepackt hat, obwohl man eigentlich Petersilie kaufen wollte; angeblich sehen sich diese Kräuter ja gar nicht ähnlich, finden fortgeschrittene Köche, der Anfänger hält das Gegenteil für wahr.
Fortgeschrittene Köche können darum jetzt hier aufhören zu lesen, allen anderen sei heimlich erklärt: Das neue Standardkraut heißt nun mal –
Koriander. Jamie Oliver, zehn Kochbücher, benutzt es schon länger für Salate, Nils Henkel, drei Sterne, baut es selbst in seinem Kräutergarten an und liebt es an vielen Fischgerichten, besonders bei »Gebratenem Langustino mit Ravioli von Gemüsezwiebeln und Koriander-Olivenöl-Emulsion«.
Manfred Grossmann, vier Küchen im »Bayerischen Hof«, kocht damit asiatische und mexikanische Gerichte. Koriander bekommt man im Supermarkt, sogar an der Börse kann man seit etwas mehr als einem Jahr Futures auf Koriander kaufen, und jetzt trinkt man ihn auch noch, in der Londoner Bar »Loungelover«: Thai Breaker, mit Ingwer, Passionsfrucht, Kokosnusslikör und Sagatiba Pura Cachaça und einem Korianderblatt obendrauf, das Eis abgeseiht.
Koriander ist das neue Modekraut, nach Basilikum in den Achtzigerjahren, nach Zitronengras in den Neunzigerjahren, nach Rucola, nach Bärlauch.
Der Samen der Pflanze wird in Europa schon länger genutzt: in Lebkuchen, beim Einlegen von Gurken, für Saucen bei Schweinebraten, Reh oder Lamm, für Genever-Likör. Die intensiver schmeckenden Blätter sind allerdings erst jetzt populär geworden: Sogar für Kräuterbutter benutzt man sie inzwischen.
Man hasst Koriander oder man liebt ihn, heißt es. Sein Geruch und Geschmack sind in jedem Fall gewöhnungsbedürftig. Das legt schon der Name nahe, der sich vom griechischen Wort koris ableitet, Wanze. »Chinese Parsley« nennt man Koriander in Asien, an europäische Blattpetersilie erinnert freilich nur die Form der Blätter. Der Geschmack ist bitterer, stärker.
In Indien, in Ägypten, in China wird das Kraut seit Jahrtausenden angebaut. In der thailändischen Küche wird eine Gewürzpaste aus zerquetschten Korianderwurzeln, Knoblauch und grobem Salz verwendet. Koriander ist ein wesentlicher Bestandteil von Curry und passt deswegen zu scharfem Essen. Frisch und klein geschnitten eignet er sich gut für indische Chutney-Saucen.
In London, der Stadt der meisten Sternelokale mit fernöstlicher Küchenrichtung, gibt es sogar ein Restaurant, in dem kein einziges Gericht ohne Koriander serviert wird. Als Paste, als Samen, frisch als Blatt, am besten in allen drei Formen zugleich: grüne Garnele in Orangenchutney. »Veeraswamy« heißt dieses indische Lokal am Piccadilly Circus, es ist der älteste Inder der Stadt, schon Charlie Chaplin aß dort.
In der indischen Ayurveda-Medizin gilt Koriander ohnehin als wichtiges Heilmittel. Gedächtnisfördernd, verdauungsfördernd, krampflösend, nervenberuhigend, Bestandteil vieler Abführtees. Als Aphrodisiakum wird Koriandersamen empfohlen, zuvor eine Woche lang in Rotwein eingelegt. So – nun sind hoffentlich alle Anfänger Fortgeschrittene.