Die diskrete Kunst des Zzzz

Wir sprühen, tupfen, reiben - und denken kaum daran: Wie wir uns parfümieren, verrät fast so viel über uns wie das Parfum selbst.

Das Gänseblümchen-Komplott
Parfum vorsichtig auf die Handgelenke und an den Hals tupfen

Nur die Handgelenke, der Hals und höchstens noch die Stelle hinter den Ohren bekommen eine zaghafte Dosis Parfum ab, und das auch nur vorsichtig getupft? Bei dieser Art, sich zu parfümieren, steht nicht die üppige Rose Patin - sondern das bescheidene Maßliebchen. Die Parfümierte kleckert lieber, bevor sie klotzt, denn der dekorative Flakon war teuer und soll möglichst lange halten. Sie hat ja auch recht: Neben Druckertinte und Champagner gehört Parfum zu den kostbarsten Flüssigkeiten der Welt. Aber schenkt man Champagner deswegen in Fingerhüten aus oder druckt pro Seite nur einen Buchstaben? Wer so dünn aufträgt, spart am falschen Ende. Luxus will schwelgerisch genossen werden. Und Duften ist eine Investition, die sich auszahlt! Eine ertragreiche Anlage für diesen Dufttyp wäre ein fruchtig-frisches Parfum wie »Marry me!« von Lanvin.

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Die Operation Rapunzel
Immer drauf mit dem Duft, auf Kopf, Haare, Hals, überallhin

Wie für Lärm oder Feinstaub gibt es auch für Geruchsbelästigung im öffentlichen Raum einen Richtwert - 500 Geruchseinheiten pro Kubikmeter (GE/m³). Ja, »Geruchseinheiten« gibt es wirklich, Geruchsprüfer haben die »Europäische Geruchseinheit pro Kubikmeter«, kurz GE, ermittelt und standardisiert. Die Frage ist, wie viele Geruchseinheiten wir Menschen zugestehen, mit denen wir uns einen engen Raum teilen, etwa einen Fahrstuhl. Verfechterinnen der Rapunzel-Methode verstehen ihren Duft nicht als Belästigung, sondern als Bereicherung für die Menschheit und haben immer ein Fläschchen zum Nachlegen dabei. Doch der Geruch eines Menschen sagt nicht nur etwas über seine Körperhygiene aus, sondern vor allem darüber, wie er wahrgenommen werden will. Wer Kopf und Frisur einnebelt, sucht den großen Auftritt in 3-D und pfeift auf das Klischee, das stark duftenden Frauen anhaftet. Wer so selbstbewusst auftritt, darf ruhig würzig-orientalisch duften wie mit »Hypnotic Poison« von Christian Dior.

Die verdeckte Offensive
Parfum in die Kniekehlen tupfen

Diese Methode gilt zu Recht als raffiniert: Die so parfümierte Frau kommt erst mal ganz harmlos daher. Weder beim Händeschütteln noch beim Durchs-Haar-Fahren gibt sie ihr Duftgeheimnis preis. Über der Gürtellinie wird Contenance gewahrt. Erst wenn man ihr näher kommt, schlägt sie die Beine übereinander, und der Duft, den sie in die Kniekehlen getupft hat, entfaltet sein Aroma. Spätestens jetzt wird dem Mann klar, dass er sich verschätzt hat: Zwar würde er gern die Quelle des Wohlgeruchs erforschen. Die kluge Frau aber wird sich bald verabschieden - denn sie weiß, dass ihr Duft noch lange bleiben wird. Eindrucksvoll wirken bei dieser Art des Parfümierens animalische Düfte wie »Original Musk Blend No. 1« von Kiehl’s.

Das Sterntaler-Prinzip
Parfum in die Luft sprühen und in die Wolke hineinlaufen

Wir leben in einer duftfeindlichen Welt: Fast alles, was riecht, lehnen wir weitgehend ab. Wenn überhaupt, soll das Riechen geplant und kontrollierbar vonstattengehen. Dabei ist es eine zivilisatorische Ironie, dass der Mensch sich zuerst durch übertriebene Hygiene seines natürlichen Körpergeruchs beraubt, nur um sich anschließend mittels teurer Parfums eine sexuelle Zweit-Aura zuzulegen. Durch das In-die-Luft-Sprühen verleiht man dem Parfümieren etwas Beiläufiges. Als wäre man rein zufällig in einen wohlriechenden Sommerregen geraten. Wer seine Natürlichkeit so reizend inszeniert, schmückt sich am besten mit einem blumig-pudrigen Duft wie »Rose Essentielle« von Bulgari.

Fremdbestäuber, Rubbler, Zweckbedufter

Die Fremd-Bestäubung
Nur die Kleider, aber nicht die Haut mit Parfum besprühen

Das Benetzen von Kleidung mit wohlriechenden Substanzen wird bereits in der Bibel erwähnt: Schon Judith beduftete ihre Gewänder, bevor sie in Holofernes’ Zelt trat. Ihr Duft war somit ebenso Strategie wie auch Verkleidung. Das Parfümieren sollte ihre Persönlichkeit gerade nicht unterstreichen, sondern von ihr ablenken. Wer das nachmacht, ist ein Duft-Chamäleon, das seine persönliche Note so schnell wechselt wie andere Leute die Hemden. Parfum begreifen diese Menschen eher als ein Modeaccessoire. Leider verspielen sie damit aber auch eine großartige Chance: Denn erst auf der körperwarmen Haut kann ein Parfum seine volle Blume entfalten. Wie wäre es mit ein bisschen mehr Mut? Zum Beispiel mit einem eleganten Duft wie »Paris« von Yves Saint Laurent.

Die Rubbel-Falle
Parfum innen auf die Handgelenke geben und heftig aneinanderreiben

Stilsichere Menschen heischen nicht plump Aufmerksamkeit, sondern unterstreichen ihre Persönlichkeit leise: Die hohe Schule des guten Geschmacks lehrt Zurückhaltung in allen Dingen. Das Rubbeln der parfümierten Handgelenke zeigt nichts anderes als die Angst, aus der Reihe zu tanzen, zu laut zu sein. Kaum hat sie ihn aufgetragen, möchte die Parfümierte den Duft daran hindern, sich zu offensiv zu verströmen - ähnlich wie Frauen, die einen roten Lippenstift sofort nach dem Anmalen wieder mit einem Taschentuch abtupfen. Parfum-Profis, sogenannte Nasen, warnen allerdings: Durch das Reiben werden die empfindlichen Duftmoleküle zerstört. Etwas mehr Geruchs-Courage, bitte! Diesem Typ empfehlen wir einen Duft mit viel Understatement, wie »L’Eau Trois« von Diptyque mit erdig-holziger Note.

Der Zweck-Bedufter
Den Duft auf Hals und Wangen klatschen

Im Gegensatz zu Frauen kennen Männer nur eine Art, Parfum aufzutragen: zackig auf die Handflächen verteilen und - patsch, patsch - auf Hals und Kinn klatschen. Das beherzte Zulangen soll wohl verschleiern, dass es sich beim Auftragen von Parfum um eine rein sinnliche Angelegenheit handelt, die mit rationalem Ingenieursgeist nichts zu tun hat. Warum nur so verklemmt, die Herren? Wahrscheinlich handelt es sich um ein Relikt aus der Zeit, als Männerduft höchstens als Nebeneffekt der Körperhygiene (um die rasierte Haut zu desinfizieren), keinesfalls jedoch als Selbstzweck akzeptiert wurde. So wird selbst das edelste Parfum zum Rasierwasser degradiert. Männer, emanzipiert euch! Zum Üben eignet sich ein dezenter Unisex-Duft wie »Eau de Cartier« von Cartier.

Fotos: Jonas Unger; Styling: Ann-Kathrin Obermeyer; Haare: Megumie/Calliste; Make-up: Tie/ Calliste