Audi Q5:Erst wollte Audi den Q7 als Hybrid bauen, jetzt wird es der Q5.
Im November vergangenen Jahres hatten die drei wichtigsten Autobosse Amerikas geschäftlich in Washington zu tun. Vor dem Kongress und im Senat ging es, logisch, um die Wirtschaftskrise. Die Manager wollten Milliarden vom Staat erbetteln für ihre Not leidenden Firmen. An sich selbst sparten sie nicht: Jeder der drei flog in seinem eigenen Jet nach Washington. Angesichts der Geldknappheit ein eher ungeschicktes Signal, vom Klima nicht zu reden. Als die drei Männer drei Wochen später wieder nach Washington mussten, hatten sie dazugelernt. Für die 850 Kilometer lange Fahrt von Detroit nach Washington setzten sich alle drei ins Auto. Rick Wagoner, Vorstand von General Motors, in einen Chevrolet Malibu, Alan Mulally von Ford in einen Ford Escape, Robert Nardelli, Chef von Chrysler, in einen Chrysler Aspen. Vermutlich sollte das bedeuten: Seht her, wir können sparen! Aber es bedeutete auch: Seht her, wir schonen die Umwelt! Denn alle drei Autos hatten eine Besonderheit: Es waren Hybridfahrzeuge.Von der Hybris im Flugzeug zum Hybrid im Fahrzeug – dieser Sturz hat etwas von Prometheus.
Hätten die drei Herren mal nach Hollywood geschaut. Dort unterstreichen viele Stars ihre Persönlichkeit schon länger nicht mehr mit voluminösen Autos, sondern setzten auf einen Wagen der Golfklasse, um ihre grüne Gesinnung zu demonstrieren: einen Toyota Prius. Auszug aus der Liebhaberliste: Leonardo DiCaprio, Cameron Diaz, Robin Williams, Brad Pitt, Jennifer Lopez, Harrison Ford, Julia Roberts. Toyota verkaufte vom Prius seit 1997 auf den Märkten der Welt 1,2 Millionen Stück. Verkaufsschlager wie der Golf, von dem in der gleichen Zeit über 9,2 Millionen gebaut wurden, spielen zwar in einer anderen Liga. Dennoch bedeuten solche Zahlen viel mehr als einen Achtungserfolg.
In Deutschland sind derzeit nur etwa 17 000 Hybrid-Pkws zugelassen. In den USA hingegen ist der Wagen so beliebt, dass man bis zu einem halben Jahr auf ihn warten musste und ein gebrauchter Prius zwischenzeitlich sogar teurer war als ein neuer. Zum Jahreswechsel hat sich die Begeisterung ein wenig abgekühlt, was am wieder billigeren Sprit liegt und daran, dass Toyota die dritte Generation des Prius auf der Motorshow in Detroit präsentiert hat – viele Kunden warten auf das neue Modell, das auch in Deutschland im Sommer kommen soll: zu einem Preis zwischen 25 000 Euro und 33 000 Euro.
Experten sind sich einig: Das ist die Zeitenwende im Automobilbau. »Hybrid bedeutet eine Revolution«, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Uni Duisburg-Essen, »selbst eingefleischte Benziner wie Martin Winterkorn, Chef von VW, geben zu, dass die Zukunft in der Elektrifizierung liegt.« Schade, dass die deutschen Autohersteller diesen Trend übersehen haben. Sie setzten auf sparsame Diesel. Doch Pkws mit Dieselmotoren sind in Asien und Amerika schwer verkäuflich, dort herrscht die Meinung: Diesel ist was für Trucker. »In Amerika weiß jeder Dreijährige, was ein Hybridauto ist. Um so bekannt zu werden, bräuchte der Diesel noch zwanzig Jahre«, sagt Dudenhöffer.
TOYOTA PRIUS: 1,2 Millionen verkaufte Exemplare seit 1997.
BMW X6: Beim Hybrid kooperierte BMW mit Daimler und GM.
Dabei war man gerade in Deutschland ziemlich nah dran: Vor 110 Jahren hat Ferdinand Porsche, damals noch Angestellter der Firma Lohner in Wien, ein Auto konstruiert, das mit Benzin und Elektrokraft angetrieben wurde. Aber alle Versuche, im Lauf von hundert Jahren, einen Hybridwagen zu bauen, gingen schief. Zuletzt scheiterte Audi mit dem A4 Duo, von dem sich keine hundert Stück absetzen ließen. Audi stellte das Experiment ein, als der Prius gerade auf die Welt kam. Und so befindet sich die Hybridtechnik heute beinahe vollständig in japanischer Hand. Bei der Toyota-Tochter Lexus gibt es einen Hybrid-SUV, eine Geschäfts- und eine Luxuslimousine. Honda bietet einen Hybrid namens InSight an.
Die Europäer versuchen jetzt aufzuholen. Das wird nicht einfach, denn »Toyota hat mindestens fünf Jahre Entwicklungsvorsprung«, sagt der Autoexperte Dudenhöffer. Mercedes, Audi, Volkswagen, BMW, Porsche, Kia, Peugeot – alle entwickeln Hybridmodelle. Als erster deutscher Hersteller wird Mercedes am 2. April über die Ziellinie fahren, mit dem S 400 BlueHybrid, im Herbst zieht BMW mit dem X6 Hybrid nach. VW und Porsche wollen den Tuareg und den Cayenne hybridisieren, schaffen es aber erst zum nächsten Modellwechsel 2010. Audi reagiert zweideutig: Den angekündigten Q7-Hybrid haben sie gestoppt, dafür wird nun an einem Q5-Hybrid gearbeitet.
Die Liste der kommenden Hybride ist unvollständig, weil gerade so viel in Bewegung ist. Fast alle Hersteller geben Gas, noch schnell eine Machbarkeitsstudie zu präsentieren oder ein Modell anzukündigen. Saab stellte kürzlich den 9-X Bio-Hybrid vor, der für die Verbrennung von Bio-Ethanol optimiert wurde. Bei Volkswagen läuft ein Großversuch mit einem Golf Twin Drive, der bis zu 50 Kilometer elektrisch zurücklegen kann. Aber Studien sind Studien. »Es gibt Ideen und Konzeptfahrzeuge für alles und jedes. Die Herausforderung ist die Serienproduktion«, sagt Dudenhöffer. Denn bei Konzeptfahrzeugen spielt eine Variable keine Rolle: der Preis.
Außerdem ist die Technik, die im Hybrid steckt, recht anspruchsvoll: Zwei verschiedene Motoren müssen Hand in Hand arbeiten. »Da gibt es viele Stellschrauben, an denen man drehen kann«, sagt Professor Henning Wallentowitz, früherer Leiter des Instituts für Kraftfahrwesen an der RWTH Aachen, wo man seit Jahrzehnten Hybridkonzepte entwickelt und erforscht. Willi Diez, Leiter des Geislinger Instituts für Automobilwirtschaft, meint: »Wir werden spannende Zeiten erleben. In den nächsten zehn, 15 Jahren wird das Auto neu erfunden.«
Das einfachste Hybridkonzept, »Micro-Hybrid« genannt, besteht aus einem Benzinmotor, an dem ein Schwungrad montiert ist, das wie ein Spielzeugkreisel Bewegungsenergie speichert. Steht der Wagen an der Ampel, schaltet der Motor ab. Beim Tritt aufs Gaspedal wirft das Rad den Motor wieder an. Dieses Rad lädt auch eine Batterie, die den Motor bei Bedarf ebenfalls starten kann. BMW bietet diese Variante unter dem Namen »EfficientDynamics« an, Mercedes-Benz unter dem Namen »Blue Efficiency«.
Die nächstgrößere Hybridvariante, der »Mild Hybrid«, wie er in der neuen Mercedes S-Klasse und im Honda InSight steckt, besteht aus einem Benzinmotor und einem Elektromotor, der den Benzinmotor beim Beschleunigen unterstützt, den Wagen aber nicht allein antreiben kann. Beim nächstgrößeren Hybridkonzept, dem »Voll-Hybrid«, wie er im Toyota Prius steckt, halten sich dagegen die Leistungen von Benzin- und Elektromotor die Waage, und der Elektromotor kann den Wagen auch allein antreiben.
Die aufwendigste Hybridvariante heißt »Plug-in Hybrid«, was bedeutet, dass man den Wagen an die Steckdose anschließen und zwischen 50 und 100 Kilometer elektrisch zurücklegen könnte – von der Serienreife ist sie aber noch weit entfernt.Probleme bei der Entwicklung bereiten besonders die Batterien, die zu teuer, zu groß, zu schwer sind. Die Hoffnung ruht auf Lithium-Ionen-Akkus, wie sie bereits in Handys und Laptops stecken. Die sind allerdings ein bisschen riskant. Ein winziger Produktionsfehler, und sie können überhitzen. Man stelle sich vor, dass ein Auto in Flammen aufgeht, weil die Technik der Batterien nicht ausgereift ist.
SAAB 9-X BIOHYBRID: Das Studienmodell fährt mit Strom und Bio-Ethanol.
Lexus RX 400h: Seine beiden Elektromotoren leisten 235 PS.
Der Toyota Prius ist solchen Sorgen weit enteilt. Er besteht seit Jahren den Praxistest. Wenn man zum Beispiel den Berliner Bernd Engel auf den Prius anspricht, gerät er ins Schwärmen. Richtig Spaß mache der Wagen, sagt Engel, gerade im Stadtverkehr: 5,1 Liter auf hundert Kilometer, unschlagbar! Bernd Engels Meinung bekommt Gewicht, wenn man weiß, dass er nicht nur einen Prius besitzt. Sondern 16.
Herr Engel ist Taxiunternehmer und war vor acht Jahren der Erste in Deutschland, der einen Hybridwagen zur Personenbeförderung eingesetzt hat. Damals war das keine einfache Entscheidung, denn erstens musste Engel auf die komfortable Taxi-Vollausstattung verzichten, wie sie Mercedes-Benz anbietet, und zweitens konnte er nicht wissen, ob sich die recht kompliziert wirkende Technik des Prius wirklich bewähren würde. Aber es hat geklappt. »Die Dinger gehen einfach nicht kaputt«, sagt Engel.
Zudem schenkt einem der Prius ein völlig neues Fahrgefühl. Weil er vollelektrisch ohne Benzinmotor fahren kann, ist er streckenweise extrem leise. Will heißen: Fußgänger, die sich aufs Motorengeräusch verlassen, anstatt zu gucken, können eine gefährliche Überraschung erleben. Hollywoodstar Diane Keaton zum Beispiel hat mit ihrem Hybridauto ihren Hund angefahren. Der hatte den Wagen offenbar auch nicht gehört.
Dazu passt die Meldung der Firma Lotus, die gerade ein System namens »Safe and Sound« entwickelt. Dahinter verbirgt sich: ein künstliches Motorengeräusch für Elektroautos. Die Ingenieure der britischen Sportwagenschmiede haben es zu Testzwecken in einem Toyota Prius installiert. Als Fahrer eines Prius guckt man außerdem ständig aufs Display, um zu erfahren, welcher der beiden Motoren gerade läuft und wie hoch der aktuelle Verbrauch ist. So erzieht die Technik des Wagens den Fahrer nebenbei zu sparsamer, vorausschauender Fahrweise.
Grün setzt sich also als neue Autofarbe durch. Wobei das nicht ganz stimmt, denn in der Autobranche ist Blau das neue Grün. Bei Volkswagen tragen Ökomodelle den Namenszusatz BlueMotion, bei Mercedes-Benz TrueBlueSolutions, bei Peugeot Blue Lions und bei VW, Mercedes, BMW und Audi heißt eine Ökotechnik für Dieselmotoren Bluetec.
Das Mantra der blaugrünen Autoentwickler ist ein neuer Richtwert: »Gramm CO2 pro Kilometer«. Der aktuelle Prius stößt 104 Gramm Kohlendioxid auf einen Kilometer aus. Ähnliche Werte erreichen nur Kleinwagen, der Polo BlueMotion zum Beispiel mit 99 Gramm oder der Mini Cooper D mit 104 Gramm. Zum Vergleich: Der Durchschnittsausstoß aller deutschen Autos liegt bei 160 Gramm. Ab 2012 darf der durchschnittliche Ausstoß der Neuwagen in der EU nur noch 134 Gramm betragen. Der neue Prius soll auf 89 Gramm kommen. Dagegen bläst der Porsche Cayenne Turbo sagenhafte 360 Gramm in die Luft. Ein Cayenne = vier neue Prius.
Aber längst nicht jeder Käufer will um jeden Preis die Welt retten: Bislang ist nur etwa jeder Siebte bereit, meint der Autoexperte Willi Diez, für Ökomobile mehr zu zahlen oder Abstriche bei Leistung und Ausstattung zu machen. Ein Prius kostet etwa 8000 Euro mehr als ein vergleichbares Auto ohne Hybridtechnik. Dafür spart man sich in London die City-Maut, und in Amerika darf man auf einigen Stadtautobahnen die Busspur benutzen.
Trotzdem müssen sich Ökoautos wie Hybride bei Preis und Leistung mit Benzinmotoren messen lassen. »Hybride sind noch nicht die endgültige Technologie der Autos der Zukunft«, räumt auch Dirk Breuer von Toyota ein. »Aber die Entwicklungskosten sind keinesfalls in den Sand gesetzt. Für künftige Elektroautos ist der Hybrid Basistechnologie.«
Doch auch mit den Hybridfahrzeugen ist für das Energieproblem beim Auto noch keine endgültige Lösung in Sicht. Sie sind aber immerhin ein Anfang und tragen ihren Teil zur Minderung des CO2-Ausstoßes bei. Wenn man es nicht so macht wie Paul McCartney: Der ließ sich seinen neuen Lexus-Hybrid mit dem Flugzeug aus Japan kommen, er hatte es eilig. Diese Aktion aber verbrauchte mehr CO2, als der Wagen in seiner Lebensdauer je wird einsparen können, rechnete die Organisation co2balance vor. Hätte Paul mal die drei Automanager aus Detroit gefragt. Die hätten ihm sagen können, wie so was aufs Image schlägt.
Illustrationen: Steffen Mackert