Es gibt einige Sängerinnen, die ich verehre, und weit oben auf dieser Liste steht Hildegard Knef. Ich finde ihre Stimme unvergleichlich, ihren Gesangsstil trotz technischer Beschränkungen exzellent. Von ihrem Sound, dieser Mischung aus kämpferischem Selbstbewusstsein und herber Melancholie, kann ich manchmal nicht genug bekommen. Dass sie darüberhinaus auch etliche großartige Songs geschrieben und aufgenommen hat, viele einsame Höhepunkte des deutschen Erwachsenen-Pop, macht sie für mich zu einer Figur, die es danach in Deutschland nie wieder gegeben hat.
Am 12. März kommt nun die Filmbiographie Hilde mit Heike Makatsch in der Titelrolle heraus, heute erscheint das gleichnamige Album, auf dem Makatsch einige der bekanntesten Knef-Chansons singt. Die Idee, das Leben von Hildegard Knef zu verfilmen, fand ich auf Anhieb einleuchtend; eine derart turbulente, ereignisreiche Biographie ist prädestiniert fürs Kino. Dass aber Heike Makatsch, die bisher allenfalls als Hobbysängerin in Erscheinung getreten ist, im Zuge der Filmproduktion aufs Knefsche Werk losgelassen wurde, hat mich weniger überzeugt. Tatsächlich ist das Album Hilde trotz viel guten Willens und großen Aufwands ein ähnlicher Reinfall wie der Soundtrack von Walk The Line, auf dem sich Joaquin Phoenix an den Songs von Johnny Cash vergriffen hat.
Schon bei den ersten Worten, die Heike Makatsch singt, denkt man: Moment mal, das funktioniert aber nicht! Und das Gefühl, dass Makatsch in diesen Songs nicht wirklich zuhause ist, verflüchtigt sich leider an keiner Stelle des Albums. Dabei sind die Songs technisch nicht schlecht gesungen, und Makatsch gelingt es sogar, kleine Knefsche Manierismen zu kopieren, einen Anflug von Berliner Dialekt in ihre Diktion aufzunehmen. Aber genau darin liegt natürlich das Problem: Da Makatsch über keinerlei eigene musikalische Persönlichkeit verfügt, muss sie die Knef nachmachen – und bleibt, angesichts der großen Knefschen Klasse, meilenweit vom Original entfernt.
Interessanterweise kann das Album auch musikalisch nicht mit den Originalaufnahmen mithalten. Man sollte doch meinen, dass es heutzutage möglich wäre, ein paar Jazzer zusammenzutrommeln, die einen lockeren Groove hinlegen. Die Musik auf Hilde hat die WDR Big Band eingespielt, und diese Musiker spielen wirklich nicht schlecht. Aber Jazz ist eine Musik der Nuancen, und als ich die neuen Aufnahmen mit den Originalen verglichen habe, mit der Arbeit der Orchester von Hans Hammerschmid und Gert Wilden, schien es mir, als sei der Swing damals noch ein kleines bisschen lebendiger, der Sound ein kleines bisschen tighter gewesen.
Dennoch hoffe ich, dass der Film erfolgreich wird – und dass die Menschen im Zuge dessen die Original-Musik von Hildegard Knef wiederentdecken und nicht den Fehler machen, zur Makatsch-CD zu greifen, auf der die Tiefe der Knefschen Musik zu keinem Moment ermessen wird. Schließlich möchte ich wieder einmal einen Text aus der SZ-Diskothek präsentieren. Im Jahresband für 1968 war Hildegard Knef mit »Nichts haut mich um - aber du« verteten. Hier der Text, den ich damals dazu geschrieben habe:
»Ich finde, man degradiert Menschen,wenn man ihnen irgendwelchen Stumpfsinn vorsetzt«, sagt Hildegard Knef 1967 im Gespräch mit Bunte. Das klingt wie eine Binsenweisheit, doch was sie bewegt, wird beim Blick auf das Umfeld klar, in dem ihre Musik damals erscheint: Roy Black, Peter Alexander, Udo Jürgens und der unselige Heintje sind ihre Konkurrenten im Kampf um die vorderen Plätze in den Charts. Es liegen Welten zwischen Knefs Musik und dem deutschen Schlager dieser Jahre und im Prinzip muss man sagen, dass das, was sie damals schuf, auch später in Deutschland kaum jemand erreicht hat: angenehme Unterhaltungsmusik für Erwachsene, intelligent, geistreich und gefühlvoll,mit musikalischer Raffinesse eingespielt, mit Charisma vorgetragen. Klingt so einfach – und gelingt so selten.
Als Hildegard Knef Anfang der Sechziger ernsthaft zu singen begann, hatte sie bereits eine turbulente Karriere hinter sich: Hauptrollen im deutschen Nachkriegsfilm, ein unglückliches Hollywoodabenteuer, 675 Vorstellungen am Broadway; Ortswechsel, Pleiten,unglückliche Liebschaften. Sie war der modernste Star, den Deutschland zu bieten hatte, und in den piefigen Adenauer-Jahren hatte man ihr die Weltläufigkeit übel genommen. Doch nun, in den Sechzigern, ist die Öffentlichkeit endlich bereit für sie und ihre Musik, eine Mischung aus Jazz und Chanson, arrangiert von ihren Kollaborateuren Hans Hammerschmid und Gert Wilden, vorgetragen mit ihrer »Whiskey-Stimme«, die nach einem Stimmbandriss während des Broadway-Engagements dauerhaft rauchig bleiben sollte. »Ich will eine Verbindung von Rhythmus und gesungenem Text«, sagt Knef. »Meine Lieder haben Swing. Und darin sind sie, glaube ich, einigermaßen neuartig.«
Im Sommer und Herbst 1967 absolviert Hildegard Knef ihre bislang längste und erfolgreichste Tournee. Ein Höhepunkt des Programms ist das Lied »Halt Mich Fest«, das einen One-Night-Stand beschreibt, und im Ruhrgebiet bejubelt das Publikum vor allem den Titel »Was Hab'Ich Von Meinem Doppelbett,Wenn Du Auf Nachtschicht Bist«. Im Januar 1968 geht Knef in München ins Studio, um eine LP mit Liedern des Jazz- und Musicalkomponisten Cole Porter aufzunehmen. Hinter »Nichts Haut Mich Um – Aber Du« verbirgt sich Porters Klassiker »I Get A Kick Out Of You«, kongenial eingedeutscht von Joachim Mleinek. Hildegard Knef hatte Porter in New York persönlich kennen gelernt, nun macht sie sich seinen Titel komplett zu Eigen. »Nehm' ich zum Tee einen Schuss LSD« – ganz ohne verzerrte Gitarren gelingt ihr ein Song, der das Klima dieses Jahres genauso gut widerspiegelt wie jede Rockhymne.