Kaiserschnitt

Als Heidi Klum und Britney Spears die Geburt ihrer Söhne bekannt gaben, reagierten die Berichterstatter auf unterschiedliche Weise: Auf die Umstände der Entbindung Britneys wurde nicht weiter eingegangen; die Nachrichten konzentrierten sich eher auf die Zahl der Leibwächter, die vor der Klinik aufmarschiert waren. Jeder Artikel über Heidi Klums zweite Niederkunft dagegen enthielt bereits im Einleitungssatz einen Kommentar über die Besonderheiten des Ablaufs: »Angeblich wieder kein Kaiserschnitt!«, hieß es etwa in der Bild-Zeitung und das Ausrufezeichen am Ende des Satzes markierte gleichermaßen die Brisanz der Information wie die Ungläubigkeit des Verfassers. Es ist inzwischen also eine Nachricht wert, dass das Kind einer Prominenten auf natürlichem Wege zur Welt gekommen ist, wobei sich die Frage stellt, ob diese Formel überhaupt noch die passende ist: Der »natürliche« und daher nicht mehr erwähnenswerte Weg der Geburt scheint zumindest unter jenen Frauen, deren Entbindung öffentlich verhandelt wird, längst der Kaiserschnitt zu sein. Britney Spears ist nur der letzte Name einer Reihe, in die auch Madonna, Claudia Schiffer, Victoria Beckham oder Elizabeth Hurley gehören.Aus der Notoperation, aus dem letzten Hilfsmittel, um eine komplizierte Geburt doch noch er-folgreich zu Ende zu bringen, ist eine Option unter anderen geworden. Der ohne medizinischen Hintergrund durchgeführte »Wunschkaiserschnitt«, wie er von den Gynäkologen genannt wird, hat sich nicht zuletzt durch seine Beliebtheit bei Prominenten auch in Deutschland durchgesetzt; es liegen Statistiken vor, wonach sich der Anteil der Kaiserschnitte im letzten Vierteljahrhundert von sechs Prozent auf 25 Prozent, in Privatkliniken sogar auf über 40 Prozent aller Geburten erhöht hat. Warum? Was heißt es, dass der natürliche Weg des Gebärens sich langsam in einen archaischen Weg zu verwandeln scheint? Alle von den Schwangeren wie von den Ärzten vorgetragenen Argumente weisen in dieselbe Richtung – die Angst vor übermäßigen Schmerzen in den Wehen; die exakte Planbarkeit der Geburt; die geringeren Auswirkungen auf Körperform und Sexualleben (»Preserve your love channel« heißt eine amerikanische Initiative gegen die konventionelle Niederkunft): Es geht offenbar darum, das Ereignis der Geburt so wenig wie möglich in die eigene Biografie eingreifen zu lassen; die Schwelle zur Mutterschaft soll nicht in aller Intensität erfahren, sondern anästhesiert werden. Es ist kein Zufall, dass gerade Models und Popstars als Pioniere dieser Praxis gelten, Frauen, deren Körper ohnehin keine sprunghaften Verwandlungen erleiden dürfen. Der Kaiserschnitt ermöglicht ihnen, ein Baby zu bekommen und – dank perfektionierter Narbenkosmetik – trotzdem genau dieselben zu bleiben wie zuvor.Der Widerstand gegen diese Tendenz verschärft sich in letzter Zeit; in England wird sogar ein Gesetz debattiert, das den Kaiserschnitt ohne medizinische Notwendigkeit verbieten soll. Zweifellos ist der Affekt gegen die kollektive Auslöschung des Geburtsereignisses nachvollziehbar. Gleichwohl haben die Kritik an freiwilligen Kaiserschnitten und das Beharren auf dem Durchstehen der natürlichen Prozesse einen irritierenden Unterton. Was genau wird kritisiert, wenn man Gebärenden vorwirft, es sich zu bequem zu machen? Letztlich, dass sie den mit Qualen verbundenen Augenblick der Entbindung auf unzulässige Weise umgehen und die Prägung der eigenen Existenz als Mutter nicht ausreichend zulassen. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang ein Kommentar zu Britney Spears’ Entbindung: »Sie hatte also einen Kaiserschnitt, klar«, heißt es in einem Internet-Blog. »Wahrscheinlich deshalb, damit sie schneller wieder ihre Sexlieder verkaufen kann.« In diesem Statement wird die ideologische Komponente der Debatte deutlich. Denn der Argwohn gegen den freiwilligen Kaiserschnitt ist vielleicht auch der Argwohn gegen Frauen, deren erotische Souveränität auch nach der Geburt eines Kindes nicht eingeschränkt ist. Der Kaiserschnitt ist in diesem Sinne auch eine Provokation: gegen die vorschnelle Domestizierung der Frau in ihrer Rolle als bloße Mutter.