Die stacheligen Schwestern der Artischocke müssten eigentlich voll im Trend liegen: Vor hundert oder zweihundert Jahren war das Gemüse wohl auch in Mitteleuropa weit verbreitet, dann geriet es in Vergessenheit und jetzt wäre es - dank eines zollfreien Europa - in guten Gemüseläden wieder leicht zu finden. So wie andere »vergessene« Gemüsesorten, zum Beispiel Pastinaken, Beten oder Topinambur, die es in den vergangenen Jahren zu neuem Ruhm gebracht haben. Doch an der Karde ist der Trend völlig vorbeigegangen. Dabei schmeckt sie wirklich wunderbar, ein wenig bittersüß, ähnlich wie Artischockenböden. Bloss dass der Artischockenboden immer nur die kleine Belohnung im Inneren einer großen stacheligen Knospe bleibt, während die Stängel der Karden insgesamt gut schmecken.
Kardenstauden werden ab dem Spätsommer gestutzt, eng gebunden und vor Sonnenlicht geschützt. So bleiben die inneren Stängel und Blätter hell und bilden nicht zu viele Bitterstoffe. Die Staude im Gemüseladen sieht später aus wie eine Selleriestaude. Die Farbe ist silbergrau mit blassen grünen Schattierungen. In der Küche schneidet man zuerst alle stacheligen Blattreste vorsichtig ab. Dann kann man die Stängel schälen und so die faserigen Randschichten entfernen. Oder man kocht die Stängel ein paar Minuten lang, bis man diese Randschichten mit einem kleinen Messer leicht abziehen kann - das ist die einfachere Methode. Anschließend werden die Stängel in fingerlange Stücke geschnitten und gekocht, das dauert eine ganze Weile. Und zuletzt kann man die Karden entweder mit etwas Thymian, Olivenöl und Knoblauch als Gemüse anschwenken, mit Käse und Kräutern überbacken oder als Salat servieren. Als mit Fleischpflanzerln aufgewachsener Münchner habe ich sie gehackt und mit Parmesan, Bröseln und Ei zu kleinen Pflanzerln geformt. Eine Zedratzitrone für einen schönen Zitronensalat lag noch herum, passt perfekt! Und obwohl es vielleicht nicht ganz dem mediterranen Geist des Gerichtes entspricht: ein paar Spritzer rauchiger BBQ-Sauce geben den Kardenpflanzerln einen zusätzlichen fruchtigen Kick.
Kardenpflanzerl - Polpette di Cardi
1 Kardenstaude (ca. 1kg)
1 Zitrone
4 Knoblauchzehen
1 Thymianzweig
2 Eier
150 g geriebener Parmesan
5 EL Semmelbrösel (ca. 80g)
1 Bund Petersilie
Salz, Pfeffer
6 EL Olivenöl
Zuerst die Karden waschen, die Blattstücke abschneiden, die Stiele halbieren und in reichlich kochendem Wasser 3-4 Min. kochen, bis man die Haut mit ihren zähen Fäden gut abziehen kann. Abgießen, abschrecken und abziehen. In etwa fingerlange Stücke schneiden.
Einen Kochsud für die Karden vorbereiten: Etwa 1 l Wasser mit Salz und Pfeffer kräftig würzen, Zitrone vierteln ins Wasser auspressen, die ausgepressten Stücke mit ins Wasser geben. Knoblauchzehen mit Schale leicht quetschen und mit dem Thymian in den Topf geben, aufkochen, etwa 5 Min. schwach kochen lassen.
Karden im Gewürzsud je nach Dicke 10-15 Min. kochen lassen - ich finde sie sollten nicht mehr bissfest sein, sondern gerade eben weich (wie perfekt gekochter weißer Spargel). Karden aus dem Wasser heben, abschrecken und abtropfen lassen. Dann 400 g abwiegen mit Küchenpapier trockentupfen und hacken. Gehackte Karden mit Ei, Parmesan und Semmelbrösel mischen. Petersilie zupfen und hacken, ebenfalls untermischen, mit Salz und Pfeffer würzen. Mit nassen Händen kleine Bällchen formen, im Olivenöl von allen Seiten goldbraun braten. Zuletzt die Bällchen aus der Pfanne nehmen, die übrigen Karden für einen Salat aufheben oder in der Pfanne heiß werden lassen und zusammen mit den Pflanzerl servieren.
Dazu passt Salat und ein frischer Dip, zum Beispiel Salsa verde oder Basilikumpesto mit ein paar Spritzern Zitronensaft.