Die Impfpflicht – ein dankbares Thema. Dabei ist all den Drostens, Söders und Lauterbachs ein zentraler Aspekt vollkommen entgangen. Machen wir doch ein Experiment: Sagen Sie das Wort dreimal ganz schnell hintereinander: »Impfpflicht, Impfpflicht, Impfpflicht.« Fällt Ihnen etwas auf? Wenn Sie auf die Schnelle immer nur Impf-Licht gesagt haben, so befinden Sie sich vermutlich in guter Gesellschaft. Dabei ist das Wort, korrekt ausgesprochen, ein deutscher Rekord. Kein anderes Wort im Duden bietet mehr ausgesprochene Konsonanten in Folge, nämlich sechs: (I-)-m-p-f-p-f-l-(icht). Mitbewerber mit gleich vielen Konsonanten hintereinander gibt es, wie Sumpfpflanze oder Herbstblume. Die harren aber noch ihres großen Auftritts in der öffentlichen Diskussion. Den sechs gesprochenen Konsonanten stehen Italiener oder Franzosen ratlos gegenüber und mühen sich und kriegen sie doch nicht über ihre Zunge, die doch an viele Vokale gewohnt ist und nicht an mpfpfl oder rbstbl.
Gibt es überhaupt eine deutschere Buchstabenfolge als mpf? So deutsch, dass sich sogar »fünf« darauf reimt? Im Kinderlied und Abzählreim nämlich: »Eins, zwei, drei, vier, fünf, der Storch hat rote Strümpf.« Wir haben ja kein einziges Wort, das sich auf »fünf« in seiner korrekten Aussprache reimt, fünf ist also reimfest. Da trifft es sich, dass wir fün-f ohnehin meist anders aussprechen: Irgendwo zwischen fümf und fümpf: »Eins, zwei, drei, vier, füm(p)f« – und schon reimt es sich auf Strümpf, wie schön!
Acht Konsonanten hintereinander bieten Angstschweiß, Deutschschweiz, Glückwunschschreiben oder Harschschnee
Wenn wir nicht die gesprochenen Konsonanten, sondern nur die Zahl der geschriebenen Konsonanten gelten lassen, dann wird die Impfpflicht noch übertroffen. Nach reiner Buchstabenzählerei haben sieben Konsonanten in Folge Wörter wie Durchschnitt, Rechtschreibung, Glücksschwein oder Herrgottsschnitzer. In all diesen Wörtern tauchen Buchstabenfolgen auf wie ch oder ck oder sch, die alle nur für einen gesprochenen Laut stehen, für den wir leider keinen eigenen Buchstaben haben. Wir behelfen uns mit Krücken wie der Schreibung sch für den Laut, bei dem vielleicht noch ein s anklingt, aber sicher kein c und kein h.
Acht Konsonanten hintereinander bieten Angstschweiß, Deutschschweiz, Glückwunschschreiben oder Harschschnee. Alles zusammengesetzte Wörter, gerne mit schsch in der Mitte. Es gibt nur einen Achtbuchstabler, der nicht zusammengesetzt ist: Borschtsch, die russische Kohlsuppe, steht im Duden. Leider verweigert der Duden den Plural Borschtschs, das wären neun Konsonanten. Schade drum. Die Suppe führt den ganzen Konsonantenwahn im Deutschen ad absurdum. Das Russische braucht für unsere unbeholfene Buchstabenfolge schtsch nur einen einzigen Buchstaben: Щ. Spricht sich mehr wie ein gedehntes sch aus, der Laut t ist darin allenfalls mit viel Phantasie zu orten. Auf diese Weise hat der Borschtsch im Russischen nicht zehn Buchstaben, sondern ganze vier: борЩ. Keine taugliche Konkurrenz der Impfpflicht also. Übrigens: Der russische Herausforderer bei der Schach-WM 2021 hört auf den Namen Jan Nepomnjaschtschi. In seiner Heimat spart er sich sechs Buchstaben.
Sind acht Konsonanten in Folge nun der Weisheit letzter Schluss? Wenn ich schon so frage, natürlich nicht. Der Duden gibt nun zwar auf, das Straßenverzeichnis aber setzt noch einen drauf: Die Göltzschstraße in Rodewisch, Sachsen. Neun Konsonanten in Folge. Bietet jemand zehn?
Übrigens: Das Deutsche muss gar nicht konsonantenlastig sein. Es gibt viele Wörter, in denen sich Vokale und Konsonanten regelmäßig abwechseln, insoweit dem Japanischen ähnelnd: Harakiri, Kamikaze, Ikebana oder Yokohama. Können wir toppen. Wie? Mit der Eheberaterin. Dem längsten rein deutschen Wort im Duden, in dem auf jeden Vokal regelmäßig ein Konsonant folgt.
Und besonders vokalreiche deutsche Wörter? Eiapopeia oder Sauerei. Unschlagbar das Teeei – vier Vokale auf nur einen Konsonanten. Fünf Vokale in Folge, das schaffen nur eine Handvoll Wörter wie die Lobelieioideae, eine Unterfamilie der Glockenblumengewächse. Und natürlich zweieiig, Treueeid und Donauauen.
Wir sind ein wenig von der Impfpflicht abgeschweift. Seltsam, dass unser so urdeutsch klingendes impfen keineswegs heimischen Ursprungs ist. Das Etymologische Wörterbuch von Kluge vermerkt als Wurzel griechisch emphyteuo und lateinisch imputare. Das mutierte im Englischen zu inoculate und bei uns zu impfen. Das Wort stammt also aus dem Weinbau und bedeutet eigentlich veredeln. Sage das mal jemand den Querdenkern, bitte.