Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verlangt die Anerkennung eines dritten Geschlechts. Wie praktisch, wir haben ja schon drei Geschlechter im Deutschen: der, die und das. Was den Verfassungsrichtern beim Frühstück entging: Das Deutsche hat auch noch Platz für ein viertes Geschlecht.
Das überfordert Sie jetzt? Dann fangen wir ganz von vorne an, am besten mit den Bienen. Stimmt, da war doch mal was: Geht also die Königin auf Hochzeitsflug – nein, wir sind ja eine Sprachkolumne. Geht also der Weisel auf Hochzeitsflug. Der Weisel sagen die Imker zur Bienenkönigin. Und wer begattet den Weisel? Die Drohne. Ein kompletter Gender-Change, Frau Biene wird maskulin und Herr Biene feminin, Respekt. Wie haben die Bienen das nur hingekriegt.
Dabei wohnt die Geschlechtsumwandlung dem Deutschen seit Jahrhunderten inne. Goethe etwa in seinem Gedicht vom Fischer: »Sah nach dem Angel ruhevoll«, wer kennt den Heuler nicht. Dem Angel, mein lieber Goethe, dem Angel!
Manche urgermanischen Wörter sind sogar bi. Oder tri? Der Mut etwa. Kommt so maskulin daher wie in der Hochmut, Lebens- und Todesmut, Unmut, Übermut, Wankelmut. Kommt so feminin daher wie in die Großmut, Wehmut, Schwermut, Demut, Sanftmut, Anmut. Und sowohl männlich als auch weiblich – im Sinne des Verfassungsgerichts? – ist der oder die Gleichmut.
Bi mit die und der sind die/der Abscheu, Bärenklau, CIA, Grappa oder Paprika.
Bi mit der und das sind der/das Alien, Flair, Striptease, Virus, Zubehör, Gummi, Bonbon, Dotter, FBI, Barock.
Bi mit die und das sind die/das E-Mail (im Norden die, im Süden oft das), Besäufnis, Säumnis, Siel, Zero.
Ausgerechnet Zölibat präferiert öfter mal das andere Geschlecht. Das Zölibat gilt heute als die üblichere Form, während unter Theologen die Männlichkeit überwiegt: der Zölibat. Das war nicht immer so: Im Duden von 1990 stand noch der Zölibat an erster Stelle, im Duden von 1930 wiederum überwog das Zölibat. Jaja, sowas kommt von sowas.
Bisher sind das alles Wörter, deren Bedeutung durch die Geschlechtsumwandlung nicht betroffen ist. Unterhaltsam sind die Begriffe, die mit dem Geschlecht auch ihren Sinn ändern. Beispiel: Das Gehalt könnte höher sein, genau wie der Gehalt manchen Gesprächs.
Je nach Geschlecht wechseln den Sinn mit der oder die: Bulle, Euro, Finne, Flur, Gang, Heide, Kunde, Mangel, Mast, Otter, See, Wiener.
Mit der oder das: Bund, Erbe, Gefallen, Golf, Korn, Lob, Messer, Moment, Paternoster, Schild, Service, Stift, Tor, Verdienst, Wetter.
Mit die oder das: Mark, Plastik, Steuer, Wehr. Zwitter wie Heroin (die Heroin der Heldensage ...) heben wir uns für ein andermal auf, denn die ändern mit dem Geschlecht auch die Betonung.
Haben wir auch Wörter mit allen drei von Karlsruhe geforderten Geschlechtern und mit drei verschiedenen Bedeutungen? Das schönste Exemplar vorweg: Band.
Das Band, klar. Der Band? Ach so ja, von Karl May. Aber nun die kleine Feinheit: Die Band? Gibt es. Muss man nur englisch aussprechen. Drei Wörter mit drei verschiedenen Pluralen, welche andere Sprache hätte diesen Reichtum? Bänder, Bände, Bands. Dazu gesellen sich die Bande (ihn schlugen die Häscher in Bande), die Banden im Stadion und die Banden der Räuber. Gut, dass wir das nicht mehr lernen müssen.
Andere Dreierexemplare sind weit weniger geläufig wie Korpus, Gig oder Tausend. Außer, wenn wir Vornamen mit Artikeln gelten lassen wollen. Dann wird aus Mark ein Dreier mit dem Männernamen der Mark. Und aus Pony ein Dreier mit dem Frauennamen die Pony.
Noch weniger Dreier existieren von den Wörtern, die bei Umwandlung ihre Bedeutung behalten. Der Dschungel war mal so ein Dreier: Der oder auch das Dschungel erlaubt der Duden. Vor 50 Jahren listete der Duden auch noch die Dschungel. Und heute? Die/der/das Cap für Baseballkappe erfüllt die Karlsruher Vorgaben.
Was ist nun mit dem vierten Geschlecht? Okay, das bedarf en détail noch der näheren Bestimmung, doch sei dem Hohen Gericht soweit schon mal vorgegriffen: Das oder die oder der gibt es als populären Bestandteil des Kinderfrühstücks. Dabei sekundieren der Atlas zur deutschen Alltagssprache und der Duden-Band Richtiges und gutes Deutsch. Wären schon drei Geschlechter. Rein weiblich ist das Produkt nur in Südtirol, also die. Maskulin hingegen tief im deutschen Westen: der.
Das vierte Geschlecht muss dann das sein, das zu keinem der drei anderen Geschlechter gehört. So will es der Hersteller Ferrero haben. Nicht die, nicht das, nicht der, wie Sprachatlas und Duden meinen. Ferrero erklärte ausdrücklich, dass es sich sein Produkt ungegendert wünscht, geschlechtslos. Falls Sie jetzt vorschnell meinen, das könne man unmöglich als viertes Geschlecht anerkennen, dann wird es Zeit, dass Ferrero bis nach Karlsruhe geht. Eine Lanze für die, für der, für das oder einfach für ungeschlecht: Lang lebe Nutella.
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