Wenn der Penis ein Startenor wäre, würde alle Welt seinen Stimmumfang bewundern und ehrfürchtig raunen: „Mein Gott, er beherrscht fünf Oktaven!“ Denn die Fähigkeit des Penis, mal als possierliche Otternase aufzutreten – wenn etwa beim Radfahren alles Blut in die Beine geleitet wird – und dann wieder, holla, als gemächtiger Balken in Gefechtssituationen zu überraschen, das ist ein Naturschauspiel, über das zu staunen man als Penisbesitzer auch bei jahrzehntelangem Gebrauch nicht verlernt.
Das Schwellkörpersystem, das bei sexueller Erregung die Schleusen öffnet und Blut ins Glied strömen lässt, ist so effektiv wie praktisch. Doch weil wir in der XXL-Ära leben, reichen seine natürlichen Qualitäten nicht mehr aus. Dass sich in den USA jährlich mehr als 10.000 Männer einer operativen Penisverlängerung unterziehen, belegt den weit verbreiteten männlichen Irrglauben, einen zu kleinen Penis zu besitzen. Dazu beigetragen hat das anatomische Kuriositäten-Kabinett der Pornofilme. Weil man es erst glaubt, wenn man es sieht, sollte jeder neugierige Mensch das Internet einmal nach „big cocks“ durchsuchen. Diese Selektion der Ausnahmeschwengel zum Maßstab zu machen, erinnert an eine Olympianorm, die man nur mit Doping erreichen kann: Man weiß, man hat es nicht drauf, denkt aber, alle anderen schafften es auf natürliche Weise.
„It’s not the size of the pencil but how you write your name“, so lautet das berühmteste Penisgrößenzitat. Es stammt vom Pornostar John Holmes, der als „Mister 33 Zentimeter“ üppig behangen war. Sein Erbe sei allen Penisverlängerungsliebäuglern eine Mahnung: Kolleginnen lästerten über das mangelnde Erektionsvermögen des „weichen Schwammkürbis“. Praxisnaher zeigt sich die Hochkultur, namentlich Michelangelos Statue „David“ in Florenz, an welcher der Penis Zurückhaltung übt. Wissenschaftler haben berechnet, dass die Knöchel der Statue statisch bedenklich belastet sind: Wäre David nach heutigem Penisideal ausgestattet, wäre er schon längst kopfüber auf die Piazza della Signoria geschlagen.