Minusgeschäfte

Als Axel Hacke erfährt, er müsse für sein Geld nun vielleicht Strafzinsen bei seiner Bank zahlen, ist er empört. Es fällt ihm nur ein Bereich ein, an dem dieses Konzept wirklich Sinn machen würde: das Oktoberfest.

Illustration: Dirk Schmidt

Eine Dame von der Bank ruft an. Man habe vielleicht mitbekommen, dass die Europäische Zentralbank das Zinsniveau weiter gesenkt habe, nun könne es sein… also, vielleicht werde es auch nicht so kommen, sie wolle mir auf keinen Fall einen Schreck einjagen… aber man wolle vorbereitend darauf hinweisen, für alle Fälle (möglicherweise komme es nicht dazu, wie gesagt) und damit man sich schon mal geistig darauf einstelle – also, es sei nun mal so, auch das habe man sicher gelesen, dass die Bank für ihre Einlagen bei der Europäischen Zentralbank Strafzinsen zahlen müsse, also negative Zinsen. Und sie, die Bank, sei zu rentabler Tätigkeit verpflichtet – ergo sei es im Bereich des Vorstellbaren und sogar bald eventuell Realität, dass auch Kunden der Bank auf ihre Einlagen ein zusätzliches Entgelt zahlen müssten.

Strafzinsen. Negativzinsen. Die Bank will Geld dafür, dass sie mein Geld überhaupt entgegennimmt und aufbewahrt. Ich soll eine Art Miete entrichten, damit meine Euros ein Unterkommen finden. Dagegen gibt es nur zwei Mittel: kein Geld zu besitzen oder Geld nicht auf der Bank zu verwahren, sondern im Kopfkissen. Oder darunter.

Da ist aber noch ein anderer Gedanke. Wenn Geldbesitz Geld kostet, dann müsste die Bank selbst ein Interesse haben, dass ihre Kröten schnell außer Haus kommen und nicht bei der Zentralbank teuer herum­liegen. Mit anderen Worten: Wenn ich einen Kredit aufnehme, müsste die Bank mir aus lauter Dankbarkeit etwas draufzahlen, allein: damit es weg ist.

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Tatsächlich habe ich gelesen, dass Banken in Dänemark Geld ohne Zinsen verleihen, ja, dass man in einem Fall schon ein halbes Prozent Zins bekommt, wenn man einen Kredit akzeptiert. Fachleute erklären, das könne so aussehen: Man leiht sich 200 000 Euro und muss nach zehn Jahren nur 199 000 zurückzahlen. Und vielleicht ist das nur ein Anfang? Vielleicht naht der Tag, an dem Bankangestellte uns die Euros mit Schubkarren vors Haus kippen, nur damit sie der Bank nicht zur Last fallen? Die kühnsten Träume von Schnorrern, Spielern und Anderenaufder­tascheliegern scheinen in Erfüllung zu gehen.

Schon haben sich erste Kredithaie in Kreditkarpfen umbenannt.

Interessant ist, dass die Entwicklung auch in anderen Bereichen Schule machen könnte. Wäre es vorstellbar, den Gedanken des Negativprozentsatzes bei Bundestagswahlen einzuführen? Sodass die SPD bei weiterem Absturz im Minusbereich landete? Was hätte das für Folgen? Würde der Partei bei den nächsten Wahlen das Minus angerechnet, sodass sie erst einmal fünf Prozentpunkte gewinnen müsste, um wieder bei null anzukommen? Oder wären die Kandidaten verpflichtet, Straßen vom Herbstlaub zu befreien und in heißen Sommern Bäume zu gießen, statt in Parlamenten zu sitzen?

Vielversprechend scheint mir (mit Blick auf das derzeitige Oktoberfest) der dem Gedanken des Negativzinses entsprechende Ansatz, im Brauereiwesen Negativpromille einzuführen. Hier waren schon mit der Erfindung des alkoholfreien Bieres riesige Fortschritte erzielt worden. Nun aber taucht die Möglichkeit auf, ein Bier zu brauen, nach dessen Genuss man nicht nur nicht betrunken wird, sondern immer nüchterner. Experimente mit nahezu bewusstlosen austra­lischen Wiesn­besuchern zeigten, dass diese nach Einflößung von zwei Maß Negativbier wieder geradeaus gehen konnten.

Leider, teilt die Vereinigung der Wiesnwirte mit, werde die aktuelle Entwicklung am Geldmarkt sich, was den Bierpreis angehe, insofern auswirken, als man gezwungen sei, auf die Entgegennahme des Geldes der Gäste eine zusätzliche Gebühr aufzuschlagen. Die Verwahrung der Oktoberfest-Einnahmen bei den Banken sei sonst nicht mehr finanzierbar.