Nun geht die Tour de France zu Ende, und unsere Gedanken schweifen zu dem Schweizer Radprofi Fabian Cancellara, der zu Beginn des Rennens eine Weile das Gelbe Trikot trug. Cancellara steht unter dem ja irgendwie großartigen Verdacht, seine überlegenen Siege bei der Flandern-Rundfahrt und beim Rennen von Paris nach Roubaix im Frühjahr dieses Jahres mithilfe eines kleinen Elektromotors errungen zu haben, der im Rahmen seines Radls versteckt gewesen sein soll. Auch nach seinem Erfolg zu Beginn der Tour behielt man ihn diesbezüglich im Auge; sein Sportgerät wurde gleich hinter der Ziellinie geröntgt – indes ergebnislos.
Im Internet kann man aber in einem kleinen Demonstrationsfilm sehen, wie die Sache gelaufen sein könnte. Kurz bevor Cancellara jeweils einem Rivalen in mörderischem Tempo davoneilt, meint man zu erkennen, dass seine Hand am Lenkrad kurz verrutscht, als schalte er nun den Elektroantrieb zu: wie man einen Turbo in Betrieb nimmt, um die Leistung eines Autos schlagartig zu erhöhen. Ein Beweis ist das mitnichten, jedoch sind dies ganz neue Möglichkeiten des Dopings, geradezu sympathisch, versucht doch auch der normale Stadtradler auf dem Weg zum Biergarten (und vor allem zurück!) heute, die Leistung des eigenen Zweirads durch Elektrifizierung zu verbessern – und nicht durch Epo-Doping.
In manchen größeren Städten sieht man Touristen gänzlich anstrengungslos die Sehenswürdigkeiten besichtigen, indem sie auf einer Art geräderter, mit einem Elektromotor versehener Personenwaage stehend herumfahren, Segway heißt das. Selbst Polizisten sausen damit auf Patrouille, und sah man nicht einst Daniel Düsentrieb so durch Entenhausen rollen?
So wird das Fahrrad technisiert, andererseits entwickelt es sich auch rückwärts, denn zum Beispiel in London ist eine Fahrradform namens Fixie in größter Mode, bei der es nur einen einzigen Gang gibt, also keine Schaltung – und auch keine Bremse! Man muss die Dinger zum Stehen bringen, indem man nicht mehr tritt. Irgendwie warte ich darauf, einer möge die Idee haben, ein besonders tolles Fahrrad könne doch vorne ein sehr großes Rad und hinten ein kleines haben – und man könnte es Hochrad nennen.
Auch fragt man sich, warum unter den vielen Fahrzeugformen, die es heute gibt, die Sänfte so gar nicht mehr en vogue ist. Selbst Rikschas sieht man heute in München, kürzlich erblickte ich sogar eine Pferdekutsche, mit der einige Gäste unserer Stadt über den Viktualienmarkt fuhren. Aber die Sänfte?
Angeblich ist sie ja aus der Mode gekommen, als die Straßenverhältnisse in Deutschland so gut wurden, dass rollende Fahrzeuge der Sänfte gegenüber keinen Nachteil mehr hatten.
Das ist ja nun vorbei; das weiß jeder Bewohner deutscher Städte, auf deren Straßen sich des Finanzmangels wegen Schlagloch an Schlagloch reiht. Auch müsste kein in einer Sänfte Sitzender die zahlreichen deutschen Fußgängerzonen meiden, Parkplatzprobleme hätte er ebenfalls nicht. Man könnte an Staus vorbei die Autos auf dem Bürgersteig überholen.
Mir scheint: Die Sänfte ist das Beförderungsmittel der Zukunft, zumal auch das Arbeitsplatzproblem damit gelöst würde. Auf jeden Getragenen kommen in einer Sänfte zwei Tragende, aber nur im Normalfall. Wie wäre es mit fünfzigsitzigen Massensänften, die abgasfrei die Bevölkerung durch die Stadt an ihre Arbeitsplätze brächten, von Haltestelle zu Haltestelle, getragen von einer geschulten Menschenmenge? Man könnte sich Rennsänften vorstellen, in denen einer sitzt, der von Hunderten geschleppt wird, die ihn zügig auf den Autobahnen von hier nach dort bringen. Und mit diesen Rennsänften gäbe es natürlich auch Sänftenrennen, warum nicht quer durch Frankreich? Warum nicht mit Lance Armstrong und den anderen? Rauf auf den Col du Tourmalet und den Mont Ventoux, sollen sie doch mal was tun für die ganzen schönen Sachen in ihrem dicken Blut!
In der Sänfte könnten Reporter Platz nehmen, sie müssten nicht mehr im Tross hinter den Athleten fahren. Und welches Land eignete sich besser für die Massenproduktion moderner Sänften als Deutschland, das sanfte, neue Deutschland, die Sänftennation!?
Illustration: Dirk Schmidt