Ich sitze am Schreibtisch, umgeben von Elektrogeräten. Vor mir der Computer. Daneben die Schreibtischlampe. Der Drucker. Das Telefon. Da hinten: die Kaffeemaschine. Der Wasserkocher. Diese Furzmaschine, mit der man Kohlensäure ins Leitungswasser presst, ach nee, die ist nicht elektrisch. Aber Bosch!, mein alter Kühlschrank und Freund, ein Stromsäufer aus den alten Zeiten: Man meint zu hören, wie er gierig den Stoff aus der Leitung lutscht, das Geräusch, das Kinder machen, wenn sie mit einem Strohhalm Reste aus einem fast leeren Glas saugen.
So viele Apparate. Es werden immer mehr. Kürzlich habe ich mir ein Rennrad gekauft, zu meiner Ertüchtigung, und ich habe festgestellt, dass an diesen Schnellrädern gar kein guter alter Dynamo mehr sitzt, mit dem man das Licht vorne und hinten selbst erzeugte. Sondern dass man Batterielampen ans Rad klemmt, und in den Lampenbatterien ist natürlich Strom aus der Leitung – obwohl es doch im Grunde denkbar wäre, dass solche Batterien von den Sportlern aufgeladen würden, die in unseren Fitnesscentern in die Fahrradergometerpedale treten.
Jetzt mal eine Frage: Wäre es nicht möglich, Geräte zu erfinden, die sich selbst mit Strom versorgen? In diesen Zeiten, in denen Energieversorgung unser größtes Thema ist? Der Mensch hängt sich ja auch nicht abends ans Netz, um irgendwelche Akkus aufzuladen. Er isst und trinkt und schläft – danach strebt er energiegeladen an seinen Schreibtisch oder sonst wohin. Könnten das nicht auch Maschinen? Essen, trinken, schlafen – und dann . . ?
Die gute Nachricht: Es ist möglich.
Die schlechte: Die Geräte fressen Fleisch.
James Auger und Jimmy Loizeau vom Royal College of Art in London haben zum Beispiel eine Uhr entwickelt, die mit einem duftenden Klebestreifen Fliegen anlockt, die dann von diesem Klebestreifen wie auf einem Förderband nach unten transportiert und von ihm abgeschabt werden. Sie fallen darauf in einen Behälter mit einer Bakterienlösung, welche die Fliegenleiber auflöst. Aus dieser Biomasse gewinnt eine Brennstoffzelle Elektrizität, die wiederum das Uhrwerk antreibt. Acht Fliegen reichen für zwölf Tage.
Auch haben die beiden einen Tisch gebaut, der mit allerhand Krümeln Mäuse anlockt. Die Mäuse können durch ein hohles Tischbein auf den Tisch klettern, ahnen aber nicht, dass in des Tisches Mitte sich eine Art Falltür befindet, die sich bei Betreten öffnet, worauf die Maus in eine Bakterienlösung fällt – und so weiter. Mit dem erzeugten Strom kann man die elektrische Falltür betreiben und noch einen Mäusezähler in der Tischplatte. Na ja, das mit der Uhr geht noch, was? Aber gemütliches Kaffeetrinken an einem Tisch, der eine Maus verdaut?
Nun sind Auger und Loizeau Künstler, sie wollen nicht in erster Linie neue Maschinen erfinden, sondern uns vor Augen führen, welchen Preis unser Lebensstil hat. Und dass wir grausam-verspielte Voyeure sein können, wollen sie auch zeigen: Wesen, die durchaus mit Interesse dem Sterben einer Fliege zusehen können, während sie andererseits nicht so gerne möchten, dass der Esstisch versehentlich die süßen Springmäuse der Tochter verstromt.
Fleischfressende Roboter. Man legt also ein paar Steaks in den Kühlschrank, und wenn man das Abendessen zubereiten möchte, hat er sie selbst verzehrt. Oder man kommt abends heim, hinter der Tür lauert ein Staubsauger, der seit Tagen nichts zu fressen bekommen hat. Da ist schnell mal ein Unterarm beim Teufel, ganz zu schweigen, was in den Hallen großer Autofabriken los ist, wenn mit der Fütterung der Roboter etwas nicht geklappt hat.
Hier muss die Lösung im Vegetarismus liegen. Morgens Äpfel für den PC, mittags frisst einem das Handy aus der Hand, der Fernseher bekommt vorm Tatort die Reste vom Abendessen. Das hat was Ländliches, nicht wahr? Wie der Bauer Tiere füttern muss, damit sie für ihn arbeiten, müsste der Städter Apparate nähren, sonst tun sie nichts.
Nächste Woche hier: Ist es möglich, ein Nachtschränkchen zu erfinden, das auf ihm abgelegte Bücher liest, um uns den Inhalt dann als Gute-Nacht-Geschichte zu erzählen?
Illustration: Dirk Schmidt