Ratzeln und Schmatzeln von acht bis zwei

Manche Menschen neigen zum Lärm, andere lieben die Stille. Schlimm genug, wenn beide nebeneinander wohnen – unser Kolumnist hat von einem Gerät erfahren, das den Konflikt schnell auf die Spitze treiben kann.

Als ich gerade auf taobao.com unterwegs war, das ist eine Art chinesisches Ebay, entdeckte ich einen building shaker, ein im Grunde unauffälliges Gerät, das man an eine Wand schrauben kann. Worauf der Shaker, hat man ihn eingeschaltet, in kurzen Abständen an diese Wand klopft.

Das ist eine Tätigkeit, die man natürlich auch selbst und manuell ausüben könnte, bei der die meisten Menschen jedoch rasch ermüden, weshalb sich über diese Maschine zwei Dinge sagen lassen: Erstens ist sie für Leute, die über einen längeren Zeitraum an eine Wand zu klopfen beabsichtigen, überaus nützlich. Zweitens ist der Name building shaker offensichtlich übertrieben, denn an einen Gebäudeschüttler richtet unsereiner höhere Erwartungen; man erwartet zumindest ein Wanken der oberen Stockwerke, es muss nicht gleich eine Erschütterung in den Grundfesten sein. (Obwohl zumindest ein Premium-Gebäudeschüttler dazu fähig sein sollte, wenigstens, wenn man in einen höheren Gang schaltet.)

Im Rahmen meiner Suche nach Anwendungsmöglichkeiten für building shaker entdeckte ich den Fall des Herrn Zhao, eines in der Stadt Xi’an lebenden Chinesen, den die Geräusche der in der Wohnung über ihm Lebenden (insbesondere das Fußgetrappel des kleinen Sohnes) so erbosten, dass er einen Gebäudeschüttler erwarb, diesen an die Decke seines Apartments montierte und freitags um acht Uhr abends einschaltete, um über das Wochenende eine Erholungsreise anzutreten. Am Sonntagnachmittag kehrte er zurück, die Nachbarn hatten Hausverwaltung und Polizei alarmiert, erfolglos. Über das weitere Schicksal der Beteiligten war nichts in Erfahrung zu bringen. Nur auf boingboing.net (ehrlich, die Seite heißt so!) fand ich den Kommentar eines Nutzers: Er habe gehört, Südkorea plane die Verwendung des Gerätes gegen seine Obermieter.

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Nun haben Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn, was Geräusche angeht, logischerweise ihre zwei Seiten: Einerseits gibt es Menschen, die zum Lärmen neigen, andererseits jene, die die Stille lieben. Was soll man tun? Ein Gespräch, etwas prinzipielle Freundlichkeit, ein wenig Mitgefühl mit den Notwendigkeiten anderer könnten nicht schaden. Aber wo sind das Gespräch, die Freundlichkeit, das Mitgefühl geblieben in Zeiten des Geschreis?

Heute haben wir jene, die andere übergehen und solche, die sich übergangen fühlen. Und in den unteren Wohnungen sitzen Leute und fragen: Was ist nun dieses Plong-Plong da? Was bedeutet jenes regelmäßige Ratzeln und Schmatzeln von acht Uhr zwei bis acht Uhr siebzehn? Wie kann es sein, dass täglich Bierfässer durch eine Wohnung gerollt werden? In John Irvings Roman Witwe für ein Jahr gibt es ein Mädchen, das versucht, dem Vater mit der Formulierung »Es ist ein Geräusch, wie wenn jemand versucht, kein Geräusch zu machen« ein Geräusch zu erklären, das ihr Angst macht, solche Geräusche gibt es, manche Leute fürchten sie und bewaffnen sich mit einem Besenstiel, um rasch minutenlang an die Decke und auf ihr Ruhe-Recht pochen zu können.

So war es immer, nicht wahr? Aber nun haben doch jene, die sich im gesellschaftlichen Leben belästigt und übergangen fühlen, und über die gerade einige kluge Bücher und Artikel geschrieben worden sind, seien es die Make-America-Great-Again-Hillbillies in den ländlichen USA oder viele einfachen Franzosen oder die Engländer in den vergessenen Städten des Nordens oder auch die Deutschtürken, gerade haben sie alle also Mittel gefunden, um auf sich aufmerksam zu machen. Vielleicht sieht man deswegen, nur so ein Gedanke, plötzlich so viele nervöse, immerzu gekränkte Wändeklopfer an der Macht oder wenigstens auf dem Weg zu ihr, Erdogan oder Trump, auch Le Pen nur als Beispiele: die Gebäudeschüttler unserer Zeit.

Illustration: Dirk Schmidt