Öko-Lifestyle

Es geht um die Versöhnung von Ethik und Ästhetik: Bis vor Kurzem schien die Kluft zwischen diesen beiden Sphären unüberwindbar; ökologisch orientierte Lebensführung war gleichbedeutend mit Desinteresse, ja Verachtung für die Welt der Mode und des Glamours. Umgekehrt stand ausgeprägtes Stilempfinden immer schon im Verdacht der Oberflächlichkeit. In jüngster Zeit nähern sich diese so unterschiedlichen Konzepte an; unter dem Akronym LOHAS (»Lifestyle of Health and Sustainability«) hat sich sogar eine ganze Interessengruppe formiert, die das gewissenhafte und das konsum-orientierte Leben in Einklang bringen will.

Produktmarken wie Bionade oder American Apparel, gleichermaßen als ökologisch korrekt und cool wahrgenommen, sind die Symbolträger dieser Bewegung. In Deutschland wenden sich seit vergangenem Herbst zwei Internet-Portale, ivyworld.de und utopia.de, ausdrücklich an die neue Zielgruppe; eine Zeitschriftenversion des einen, Ivy, wird in Teilen Deutschlands gerade mit großem Werbeaufwand getestet. Auffällig ist an diesen Projekten sofort, dass das Bestreben, die unvereinbaren Milieus zusammenzuführen, nur von einer Seite betrieben wird. Dass altgediente Ökos plötzlich in den Versprechen des Lifestyles aufgehen würden, geht aus den Erfahrungsberichten in den Online-Portalen nicht hervor; es herrscht vielmehr die Perspektive der Styler vor, die das Ökologische für sich entdeckt haben.

Der Tonfall der Texte hat dabei immer wieder etwas von einer Erweckungsgeschichte, wie im Fall der Gründerin von utopia.de, Claudia Langer, die ihre Anteile einer erfolgreichen Werbeagentur verkaufte. »Nach zwanzig Jahren auf der Überholspur verspürte ich plötzlich nur noch einen Wunsch: meinen Kindern eine Gutenachtgeschichte zu erzählen.« Ganz ähnlich formuliert es die Zeitschrift Ivy: Das einstige Umweltbewusstsein aus der Schulzeit sei mit den materiellen Verheißungen der Berufskarriere schnell erloschen, kehre nun aber zurück im Bemühen, »unseren Kindern diese Welt mit gutem Gewissen« zu hinterlassen.

Meistgelesen diese Woche:

Dass die Familiensituation in den Artikeln und Blogs eine so prominente Rolle spielt, ist aufschlussreich. Nach der Lektüre von Ivy etwa weiß man, wie alt die Kinder der Chefredakteure sind, wie sie heißen und aussehen. Und an diesem Augenmerk auf der eigenen Jungfamilie kann man bereits ablesen, dass es bei der vermeintlichen Politisierung eher um ein privates Dilemma geht.

Die Begeisterung für den »grünen Lifestyle« dient in erster Linie zur Linderung eines kollektiven Identitätskonflikts der 35-Jährigen; unter diesem Banner soll es gelingen, die widerstreitenden Stränge der eigenen Biografie in Einklang zu bringen, das Ichzentrierte der Karriereexistenz und die Verantwortungsbereitschaft des neuen Familienlebens. Zweifel an der politischen oder ethischen Motivation der Ökologie-Themen ergeben sich zudem aus der Aufmachung und Sprache der neuen Portale und Zeitschriften. Der Unterschied zu herkömmlichen Lifestyle-Erzeugnissen scheint in den Artikeln über Produkte, Designer oder Läden allein darin zu bestehen, dass sich die eingeschobenen Adjektive geändert haben. Die angepriesenen Schuhe oder Möbel sind nicht mehr »schlicht«, »elegant« oder »glamourös«, sondern »fair«, »bio« und »nachhaltig«. Bewusstsein ist das Must-have-Accessoire der Saison.

Befragt zu den Erfolgsaussichten ihres Portals, sagte Claudia Langer kürzlich: »Der Profit kommt später, dafür habe ich vom ersten Moment an eine emotionale Rendite.« Von dieser Wendung her lässt sich die Philosophie des »Öko-Lifestyles« fassen: Es geht letztendlich um das Bemühen, noch jene Lebensbereiche in den Jargon der Ökonomie und der Warenwelt einzugliedern, die von jeher außerhalb dieser Logik stehen. Kategorien wie »Haltung«, »Ethik«, »Verantwortung« werden zu Produkten und Wertanlagen unter anderen und werfen, wenn alles gut geht, »emotionale Rendite« ab. Die Moral und der Lifestyle: Sie gehen in dieser neuen Bewegung keine symbiotische Beziehung ein; das eine wird dem anderen unterworfen.