Ottfried Fischer

Die Intensität, mit der in den vergangenen Wochen über Ottfried Fischers Liebesleben berichtet wurde, steht in genauem Zusammenhang mit der Leibesfülle des Schauspielers. Dass ein Film- oder Fernsehstar einen Seitensprung, eine außereheliche Affäre eingesteht, ist den Zeitungen gewöhnlich ein, zwei Meldungen wert – die parallel zu Fischer laufenden Betrugs- und Trennungsgeschichten, von Daniel Brühl und Jessica Schwarz bis Birgit Schrowange und Markus Lanz, haben das wieder gezeigt. Warum also wurde gerade Ottfried Fischers Verhältnis mit einer ehemaligen Prostituierten, das beschlossene und wieder zurückgenommene Ende seiner Ehe zu einem öffentlichen Schauspiel, das sogar die Fußball-Weltmeisterschaft zehn Tage lang von den Schlagzeilen des Boulevards verdrängte? Sicher nicht aufgrund der besonders spektakulären Konstellation der Geschichte. Die Nachricht erfuhr eher deshalb eine einzigartige Wucht, weil die Kategorie Sex in der öffentlichen Wahrnehmung von Ottfried Fischer bislang nicht denkbar war. In der forcierten Attraktivität der allermeisten Filmstars ist die Option der sexuellen Übertretung immer schon enthalten. Die wohl geformten, begehrenswerten Körper stehen ständig in Bereitschaft, aus den eingeschlagenen Pfaden auszuscheren, und wenn jemand wie Moritz Bleibtreu oder Til Schweiger mit einer anderen als der aktuellen Partnerin ertappt würde, wären diese Bilder Bestandteil einer schillernden Existenz. Ottfried Fischers wuchernde Leibesfülle dagegen blendet Sex als Element der Vorstellung vollständig aus. Allein der Begriff des »Seitensprungs«, die in ihm anklingende Dynamik, ist nicht auf Fischer anzuwenden. Die Affäre war eben kein leichtfüßiger Sprung, sondern eine nicht für möglich gehaltene Bewegung hin zu einer anderen Frau.Was die tägliche Berichterstattung über das Geschehen aber vor allem demonstrierte, ist der Einbruch außerehelicher Sexualität als Unglück. Ottfried Fischers Sturz an der Autobahn-Notrufsäule drei Tage nach Veröffentlichung der ersten Fotos, seine ausgekugelte Schulter, war für die Reporter eine Fügung des Himmels: ein zufälliger Unfall, der gleichzeitig als folgerichtiger dargestellt werden konnte und den körperlichen Zustand Fischers mit seinem seelischen in Einklang brachte. Im Krankenbett, frisch operiert und mit Verbänden bedeckt, lag einer, der nicht allein vom Aufprall auf den Asphalt, sondern von illegitimem Sex niedergestreckt wurde. In Reinform spielten die Boulevardmedien die dämonische Auswirkung sexueller Ausschweifung durch: Ottfried Fischer – als Benno Berghammer oder Pfarrer Braun der integre, wachsame Dicke, dessen Sinnlichkeit sich auf seinen ausgeprägten Appetit beschränkt – kommt durch den Einbruch der Wollust aus dem Gleichgewicht. Hatte der Schauspieler das Fernsehpublikum nicht gerade durch seine Gelassenheit, seine innere Stabilität für sich eingenommen? Dieses In-sich-Ruhen, nicht zuletzt eine Folge der Abwesenheit erotischer Nervosität, ist vollkommen durcheinander geraten. Der Sex hat von seinem Leben Besitz ergriffen und ihn eine Zeit lang aus der Bahn geworfen.Wenn man bedenkt, dass die Darstellung von Sex etwa in der Bild-Zeitung immer nach dem Doppelprinzip von möglichst großflächiger Ausbreitung bei möglichst hoher moralischer Erregung funktioniert, ist es kein Wunder, dass gerade diese Affäre das Interesse weckte. Denn die Rollen konnten nach kurzer Zeit klar verteilt werden: hier der schwach gewordene Fernsehliebling, dort die dunkle Sphäre der Sexualität, zu der Prostituierte gehören, zerrüttete Familien, Drogenmissbrauch und fremdländische Gestalten (wie der frühere Lebensgefährte von Fischers Geliebter, ein Sänger namens Franco Andolfo, der immer wieder für die Bebilderung der Zeitungsartikel herangezogen wurde). Das erwartbare Ende in dieser seltsam inszeniert wirkenden Geschichte war daher die rasche Abkehr von diesem Milieu. Die Geliebte hat offenbar einen Selbstmordversuch hinter sich. Ottfried Fischer dagegen ist schon auf dem Weg zurück zur unangreifbaren öffentlichen Figur: Vor ein paar Tagen ist in Österreich eine Briefmarke mit seinem Konterfei erschienen.