Oliver Bierhoff ist am Tag der Arbeit geboren. Erstaunlich, dass über diesen Umstand noch keine Witze gemacht wurden in den hämischen Kommentaren, die über den Manager der Nationalmannschaft in den letzten 15 Jahren zu hören und zu lesen waren. Auch jetzt, nach der Vertragsverlängerung von Löw und seinem Team, mischten sich in die allgemeine Glückseligkeit mäkelnde Stimmen: Warum eigentlich noch immer Bierhoff? Und was, um Himmels willen, arbeitet der Mann überhaupt, wenn es nicht um die Profilierung seiner eigenen Person als Werbemarke geht?
Die Nationalmannschaft kann brillieren, wie sie will, kann auch abseits des Platzes eine neue Mentalität verkörpern – eines steht für alle fest: An Bierhoffs Zutun hat es am wenigsten gelegen. Seit seiner Einstellung im Sommer 2004 prügeln Bundesliga-Präsidenten, Journalisten und Stammtischtrainer auf den Teammanager ein und heften ihm die immer gleichen Attribute des »Smarten« und »Aalglatten« an. Dem Funktionär Oliver Bierhoff schlägt derselbe Unmut entgegen wie damals dem Spieler.
Bierhoffs Status des Prügelknaben hängt mit seiner Herkunft zusammen. Der Profifußball ist das Milieu des sozialen Aufstiegs. Wenn ein Spieler aus einem Haushalt stammt, vor dessen Wohlstand sogar Bundesliga-Gehälter schrumpfen, hat das etwas von einer unzulässigen Verdoppelung. Oliver Bierhoff, Sohn eines langjährigen RWE-Vorstands, wirkte gegenüber seinen Mitspielern wie ein Millionär, der einen Sechser im Lotto erzielt; er war einer, für den der kollektive Lebenstraum »Fußballer« nur eine Erfolgsoption unter anderen war.
Gerade nach der jetzigen WM sind diese Vorwürfe aber komplett unverständlich. Denn der vielgerühmte Mentalitätswandel der Nationalmannschaft, der Übergang von einer Truppe von Spielverwaltern zu einer weltläufigen Ansammlung von Jungprofis, erinnert genau an das Profil Oliver Bierhoffs. Wenn ständig in Zweifel gezogen wird, dass der irgendetwas geleistet hat, dann liegt die Antwort in dieser fundamentalen Verschiebung: dass sich die Nationalmannschaft von einem sozialdemokratisch verwurzelten Verein zu einer souveränen Marke entwickelt hat; dass die Spieler inzwischen wie Unternehmer ihrer selbst auftreten.
Bemerkenswert aber ist, dass diese Professionalität einer Mannschaft aus Migranten- und Kleinbürgerkindern zum Kompliment gemacht wird, dem Millionärssohn aber zum Vorwurf. Anscheinend müssen Fußball-Helden aus einer gesellschaftlichen Sphäre kommen, in der das Talent die Funktion eines biografischen Katapults übernimmt. Oliver Bierhoff hat das Pech, immer schon arriviert gewesen zu sein.
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