Ziemlich gute Stube

Manchmal, wenn im Wohn-Koch-Ess-Zimmer mal wieder alles drunter und drüber geht, erwacht die Sehnsucht nach einem – aus gutem Grund vergessenen – Wohnkonzept.

Zu Besuch bei Verwandten in den Siebzigerjahren. Zum Kaffeetrinken wird die »gute Stube« geöffnet – ein ungemütlicher Raum mit dicken Vorhängen, schwerem Mobiliar, Vitrinen voller Porzellan und Kupferstichen von mittelalterlichen Stadtansichten. Wir Kinder müssen still sitzen statt zu spielen, und auch auf die Erwachsenen scheint die Atmosphäre bedrückend zu wirken: Sie unterhalten sich nur gedämpft, während sie ihre Buttercremetorte verzehren. Die Kinder, die damals wie festgeschraubt auf ihren Stühlen saßen, sind heute erwachsen und haben ihre Wohnungen ganz anders eingerichtet als einst Tante Hilde und Onkel Gottfried: hell, offen und freundlich. Nirgendwo muss man mehr still sitzen, stattdessen sind Küche, Ess- und Wohnbereich zu einer Art großem Toberaum verschmolzen. Gut so – und dennoch beschleicht einen, während mal wieder alles drunter und drüber geht, bisweilen der Gedanke, dass das angestaubte Wohnkonzept der »guten Stube« auch etwas Radikales hatte: einen Raum zu haben, in dem man aus Prinzip gar nichts macht, außer in Ruhe zu wohnen.

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Fotos: Andreas Meichsner/laif, Federico Villa