Die jüngsten Nachrichten aus der flüchtigen Welt der Luxusgastronomie: Feinkost Dallmayr bietet jetzt Jahrgangssardinen an, »Los Peperetes, Vintage 2008«, 150 Gramm für 13,50 Euro, in streng limitierter Menge. Das Delikatessengeschäft hatte das schon einmal probiert, 1999, aber damals war die Zeit noch nicht reif für teure Ölsardinen, nicht einmal in München. Der Düsseldorfer Delikatessen-Großhändler Bos Food meldet seit drei Jahren konstant steigende Absätze von Ölsardinen bei Restaurants in ganz Deutschland. Auch hier der Renner: »Los Peperetes« aus Galicien. Der Koch Manuel Reheis vom Restaurant »Broeding« in München berichtet fassungslos: »Neulich bestand ein Kunde darauf, ein einfaches Butterbrot mit Sardellen als ersten Gang seiner feinen Abendgesellschaft aufzutischen. Seine Gäste waren begeistert.«
Christian Jürgens, Sterne-Koch vom Restaurant »Überfahrt« am Tegernsee, unser Kolumnist, erzählt: »Wenn ein Gast schon drei-, viermal bei mir gewesen ist, setze ich ihm gerne Sardinen als Amuse-Bouche vor, mit einem Stück über dem Kohlengrill angerösteten Weißbrot.« Die Sardinen werden in der geöffneten Büchse auf einem weißen Teller serviert. »Die Leute reagieren natürlich im ersten Augenblick etwas überrascht, aber die meisten lassen sich von dem Geschmack und der Qualität überzeugen.« Das Münchner Feinkost-Restaurant »Käfer« traut sich freilich nicht, die Konserven völlig nackt zu servieren, man drapiert sie schön auf dem Teller mit etwas Petersilie.
Deutschland hat Sardinen und Sardellen, die etwas kleineren Schwestern aus der Heringsfamilie, als Delikatesse entdeckt.
In den besseren Bistros von Paris kennt man ordinäre Sardinenkonserven schon lang. Frankreich hat ja nicht umsonst die Puxisardinophilie erfunden, also das Sammeln von Sardinenbüchsen. Eingelegte Sardinen werden mit den Jahren besser, wenn das Olivenöl das Fischfleisch durchdringt. Fünf bis zehn Jahre sollten dafür reichen. Auf der Internetseite von Pennsardin.com, einem Spezialitätenladen in der Bretagne, findet man noch Sardinen aus den Neunzigerjahren.
Das Konserven-Paradies schlechthin ist allerdings Spanien: Galicien im äußersten Nordwesten des Landes und das Baskenland im Nordosten haben die meisten und auch bekanntesten Fischfabriken. Spanische Sardinen des Jahrgangs 2001 können bis zu achtzig, neunzig Euro kosten. Natürlich sind das Liebhaberpreise, aber Jahrgangssardinen sind die besten, schönsten Fische eines Fangs, die sofort von Hand ausgenommen, geschuppt, behutsam im Dampf gegart und dann Stück für Stück in die Dose eingelegt werden, sodass die silberfarbene Haut völlig intakt bleibt. Nur kaltgepresstes Olivenöl und Meersalz dürfen für Jahrgangssardinen verwendet werden.
Die mit 15 Zentimeter etwas kleineren Sardellen aus Spanien können genauso teuer werden. Ihre Fangzeit hat in der Biskaya Mitte März begonnen – zum ersten Mal wieder nach fünf Jahren Fangverbot. Der Fang war ungewöhnlich gut; in San Sebastián bekommt man das Kilo frische Sardellen zurzeit für knapp zwei Euro. Sardellen, auf spanisch anchovas, schmecken salziger, ihr Fleisch ist weiß, eingelegt werden sie in Gläser, nicht in Konserven. Noch besser schmecken sie frisch gebraten, mit viel Knoblauch, wenig Salz und Petersilie, oder man legt sie eine Nacht in Essig ein. Sardellen bekommt man im Salat, als Vorspeise oder auf vielen Pintxos, der baskischen Tapas-Variante am Spieß, die es in jeder Bar gibt. Sardellen isst man im Baskenland eigentlich erst seit den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts, als der Export nach Italien begann und man merkte, wie gut sie schmecken. Sardinen kennt man seit vielen hundert Jahren, die ersten Konservenfabriken entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts.
Die Sardinenbüchse oder das Sardellenglas bekommt man in Spanien aber nur in Bars zu sehen. Eine Büchse direkt auf einem Teller zu servieren hat sich in den vielen berühmten Sternelokalen von San Sebastián nicht durchgesetzt. Der Deutsche zelebriert das Öffnen einer Konserve inzwischen geradezu. Wahrscheinlich weil die Büchse oftmals seine einzige Chance darstellt, etwas Meerluft zu schnuppern.
Fotos Camillo Büchelmeier, Illustrationen: Dirk Schmidt