J – Joghurt

Als Kind nahmen mich meine Eltern oft mit in eine kleine Joghurtfabrik. Im Verkaufsraum gab es zarten Joghurt mit einer dicken Fruchtschicht am Glasboden und wir packten immer reichlich davon ein. Heute fehlt Joghurts oft diese besondere zarte, doch stichfeste Konsistenz – ganz abgesehen davon entstand das »natürliche Aroma« für den Erdbeerjoghurt in den siebziger Jahren sicher nicht dadurch, dass man die Erdbeeren auf Stroh und Sägespänen pflanzte. Dafür sind moderne Joghurts prebiotisch, probiotisch oder sogar symbiotisch – alles irgendwie gesund. Wahrscheinlich brachten wilde hunnische Horden den Joghurt nach Bulgarien – und wer dort die Hunnen überlebte, begann täglich Joghurt zu essen. Die fleißigen Bakterien, die diesen Joghurt produzieren, nennen wir Lactobacillus bulgaricus. Vielleicht erklärt der regelmäßige Joghurtgenuss, warum in Bulgarien besonders viele Hundertjährige leben. Aber »biotisch« waren diese Joghurts sicherlich nicht.

Welche Bedingungen entscheiden über die Konsistenz im Plastikbecher? Konrad Kreuzer, Leiter des Fachzentrums für Milch-Analytik der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, erklärt: »Zunächst wird homogenisierte Milch etwa zehn Minuten lang auf 80 Grad erhitzt. Dann dampfen wir die Milch bei niedrigen Temperaturen und Unterdruck etwas ein, um den Gehalt an Trockenmasse zu erhöhen – das Endprodukt wird dadurch stabiler. (Bei niedrigem Druck kocht und verdampft Wasser weit unter 100 Grad.) Bei 42 bis 44 Grad wird die Milch mit Milchsäurebakterien bebrütet (so der Fachausdruck) – für den klassischen, frisch-säuerlichen, stichfesten Joghurt ist das der Lactobacillus bulgaricus. Bebrütet wird im Becher und nach drei Stunden ist der Joghurt fertig.« Uns Deutschen ist der echte Joghurtgeschmack heute allerdings zu intensiv. Milder, rechtsdrehender Rührjoghurt liegt im Trend. Konrad Kreuzer erklärt weiter: »Dafür wird die Milch mit anderen Kulturen geimpft, im Tank bebrütet, noch bevor der Joghurt ausgereift ist, cremig gerührt und nach zwölf Stunden abgefüllt.« Viele Menschen vertragen leider keine Milch, genauer gesagt: den Milchzucker Lactose. Joghurtkulturen entwickeln reichlich Lactase, das Enzym, das den Milchzucker spaltet. Die Reifezeit des Joghurts ist zwar zu kurz, um Lactose vollständig abzubauen, es entstehen aber genügend Enzyme im Joghurt, die den Magen bei seiner Arbeit unterstützen. Joghurt ist deshalb auch bei Milchzuckerunverträglichkeit meist in Ordnung.
UNTER DER BETTDECKE
Zur Familie der völlig überflüssigen Haushaltsgeräte gehört der Joghurtbereiter, denn jeder hat ein Bett: Spülen Sie 6 Schraubdeckelgläser (je 200 ml) heiß aus und geben Sie in jedes Glas 2 EL Ihrer Lieblingskonfitüre. 1 l H-Milch mit 1 Joghurt mit Lactobacillus bulgaricus verrühren, auf 44 °C erhitzen – das ist die Temperatur von heißem Badewasser. Vorsichtig in die Gläser füllen, in eine Schachtel stellen, eine Wärmflasche mit in die Schachtel legen. Wickeln Sie alles zusammen in Ihre nachtwarme Bettdecke – abends ist der Joghurt fertig.