Den Löffel abgeben

Wenn das wertvolle Silberbesteck, das der verstorbene Patenonkel einst geschenkt hat, lange nur im Schrank lag: Darf man es verkaufen und sich dafür selbst etwas aussuchen?

Illustration: Serge Bloch

»Mein verstorbener Patenonkel schenkte mir von der Geburt bis zur Konfirmation ein Silberbesteck für zwölf Personen. Für diese wertvollen Geschenke musste er sparen. Drei Jahrzehnte lag das Besteck unbenutzt im Schrank. Da ich das irgendwann schade fand, benutze ich es nun. Silber ist leider nur schön, wenn man es putzt. Ich finde Silberputzen doof und möchte nicht meine Zeit dafür verwenden. Kann ich das Silberbesteck verkaufen und mir für den Erlös ein Schmuckstück kaufen, das mich an meinen Patenonkel erinnert? Oder habe ich die Verantwortung, das Familiensilber zu bewahren?« Anonym, Fürstenfeldbruck

Ihr Patenonkel wollte Ihnen etwas fürs Leben schenken. Etwas Nütz­liches, Schönes, das bleibt. Es ist sehr rührend, wenn man sich vorstellt, dass er dafür gespart hat. Und dass er seine Idee über all die Jahre nicht aus den Augen verloren hat. Was für einen liebevollen Patenonkel Sie hatten. Aber das wissen Sie ja, sonst würden Sie sich keine Gedanken machen. Sie benutzen allerdings ein Wort, das mir unzutreffend erscheint: »Familiensilber«. Das ist es nicht. Das Besteck ist weder durch mehrere Generationen gegangen noch hat es Kriege überstanden, Plünderungen, Flucht oder bei was für Gelegenheiten so ein Silberbesteck über die Zeit noch hätte verloren gehen können, weshalb es von Erbe zu Erbe (ideell) immer wertvoller geworden wäre. Keiner Ihrer Großeltern hat jemals mit einem dieser Löffel Tee um­gerührt, es ist auch Ihrem Onkel nicht ­vererbt worden, sondern er hat es neu gekauft, Teile stammen vermutlich aus den 1990ern. Angenommen, Sie würden dieses Silberbesteck eines fernen Tages an eine nächste Generation weitergeben, dann könnte man vielleicht so langsam von Familiensilber sprechen, aber Stand heute ist es nichts weiter als ein – großzügiges – Geschenk. Sie müssen es nicht mit Fami­lientradition aufladen.

Und es war bestimmt nicht Absicht Ihres Patenonkels, Ihnen etwas zu schenken, das Ihnen für den Rest Ihres Lebens schlechte Laune macht. Insofern spricht eigentlich nur dagegen, es gegen einen Gegenstand Ihrer Wahl einzutauschen, dass man beim Verkauf gebrauchter Wertgegenstände traurig werden kann, weil einem meistens viel weniger Geld dafür geboten wird, als man dachte. Nur deshalb sollten Sie noch einmal gut überlegen, ob Sie sich nicht vielleicht eines Tages doch freuen werden, große Tischrunden mit feinem Silber­besteck ausstatten zu können. Wenn nicht, tauschen Sie es gegen etwas, das Sie erfreut.