»In unserem Mehrfamilienhaus wird die gesamte Post durch einen Briefschlitz eingeworfen, und wer sie als Erstes vorfindet, sortiert sie in die jeweiligen Briefkästen. Allgemeine Postwurfsendungen (Werbung etc.) werden auf die Treppe gelegt, nach ein bis zwei Tagen erbarmt sich dann jemand und schmeißt sie in die Papiertonne. Aufgrund anstehender Wahlen bekommen wir Flyer von diversen Parteien. Ist es nun demokratisch und nachbarschaftlich vertretbar, wenn ich Werbung von Parteien, die mir unsympathisch sind, direkt entsorge? Immerhin sind die Flyer ja an niemanden konkret adressiert.« Jelena S., Münster
Kennen Sie irgendjemanden, einen einzigen Menschen auf der Welt, der von Postwurfsendungen nicht genervt ist? Kennen Sie jemanden, der sich von Parteiwerbung, die schlecht bezahlte Austräger in Häusern abladen, zu denen sie sich durch Irgendwo-Klingeln Zutritt verschaffen, in seiner Wahlentscheidung beeinflussen lässt? Gut, stellen wir uns vor, es gibt diesen einen Menschen, und der wohnt ausgerechnet bei Ihnen im Haus. Dann wollen Sie und ich natürlich nicht daran schuld sein, dass die SPD nur deshalb wieder so schlecht abschneidet, weil der alles entscheidende Werbezettel diesen einen Menschen nicht erreicht. Und an manche Parteien erinnert man sich ja ohne Wurfsendung auch gar nicht.
Schließen wir also aus, die Flyer direkt zu entsorgen. Schließlich befürworten Sie ja, so verstehe ich Ihre Frage, grundsätzlich die Staatsform der Demokratie.
Aber nach ein, zwei Tagen, schreiben Sie, werden die Dinger sowieso weggeschmissen. Und daran hat sich offenbar niemand je gestört. Im Grunde geht es bei Ihrer Frage also nur um Zeit. Sie haben einfach keine Lust, die Pro-forma-Höflichkeits-Frist abzuwarten. Und wollen außerdem auch ein bisschen den Wahlausgang mitentscheiden wie jeder normale Mensch.
Mein Vorschlag ist ein Drei-Stufen-Plan: 1.) Sortieren Sie die auf der Treppe liegenden Flyer Ihrer Sympathie nach, wobei Sie die Partei Ihres Herzens nach oben legen. 2.) Warten Sie zwölf Stunden. 3.) Danach schmeißen Sie den gesamten Packen weg.
In zwölf Stunden kommt jeder Bewohner mal vorbei und kann sich bei Interesse die Werbepost nehmen. Was länger liegt, wirkt ungewollt, wie Altpapier, Müll. Das wäre also selbst für die beste Partei Antiwerbung. (PS: Sollten Sie ein sehr ungeduldiger Mensch sein, überspringen Sie Punkt 1 und 2. Aber dann haben wir nie gesprochen.)