Wieso werde ich als Deutschtürke immer wieder geduzt?

Unser Leser siezt eine Verkäuferin, diese spricht ihn aber mit Du an. So etwas passiert nicht zum ersten Mal. Unsere Kolumnistin hat eine Idee, wie der Leser in solchen Fällen reagieren kann.

Illustration: Serge Bloch

»Neulich wurde ich in einem Laden von der Verkäuferin geduzt, obwohl ich sie gesiezt hatte. Als die nächste Kundin an die ­Reihe kam, blieb ich an der Tür, um zu horchen, ob sie ebenfalls geduzt wurde. Doch diese ältere Dame wurde gesiezt. Ich weiß nicht, ob das Verhalten der Verkäuferin auf meinen Migrationshintergrund zurückzuführen ist oder darauf, dass ich etwa im gleichen Alter bin wie sie. Am liebsten wäre ich wieder in den Laden gegangen und hätte sie auf die ungleiche Behandlung hingewiesen. Meine Frau hat mich zurückgehalten. Wieso ­werde ich als Deutschtürke immer wieder geduzt, obwohl ich mein Gegenüber sieze?« Elyesa B., Witten

Es ist leider unmöglich, die Frage, die Sie stellen, eindeutig zu beantworten. Möglicherweise könnte die Verkäuferin, von der Sie schreiben, das noch nicht einmal selbst erklären. Wollen wir hoffen, dass sie entschied, Sie zu duzen, weil Sie ihr gleich alt beziehungsweise jung vorkamen. Oder weil Sie ihr sympathisch waren. Oder sie an jemanden erinnerten, den sie kennt, weshalb ihr das intimere Du wie von selbst entwich. Besonders elegant wäre es nicht, denn Sie hatten die Frau ihrerseits ja gesiezt, und da würde es sich für einen Verkäufer oder eine Verkäuferin natürlich gehören, Sie als Kunden ebenfalls zu siezen.

Insofern ist Ihr Verdacht, es ­könne hier eine rassistische Komponente mitschwingen, leider nicht ganz von der Hand zu weisen. Und das muss der Ver­käuferin noch nicht einmal mit böser Absicht passiert sein, möglicherweise ­geschah es unbedacht. Aus der Annahme heraus, ­jemand, der ihr aus irgendeinem Grund ausländisch erscheint, verstehe ­bestenfalls ein Kinderdeutsch. Das wäre zwar sehr einfältig, macht die Sache aber in­sofern etwas besser, als in diesem Fall wenigstens keine beabsichtigte Beleidigung vorläge, sondern einfach nur bedauerns­werte Blödheit. Oder sagen wir: ein erheblicher Mangel an Vorstellungskraft, der ­dieser Frau die Welt für immer im fahlen Licht vergangener Zeiten zeigt.

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Sie schreiben, dass Ihnen dies öfter passiert. Dass Sie häufiger als andere geduzt werden. Ich kann Ihnen, da Sie das verständ­licherweise umtreibt, nur raten, es beim nächsten Mal direkt anzusprechen. »Verzeihung, ­aber darf ich Sie fragen, warum Sie mich duzen?« Sie werden auf diese Frage im Zweifel keine ehrliche Antwort bekommen, aber sie ­könnte das Gegenüber zum Nachdenken anregen – und, vielleicht noch wichtiger, Sie lassen auf diese Weise das ­Gefühl der Herabwürdigung, das Ihnen ein un­gewolltes Du aufzwingt, im Laden zurück.