Entschuldigung, darf ich vor?

Kann man an der Supermarktkasse alleine entscheiden, ob man jemanden vor sich in die Schlange lässt – oder müssen da auch alle zustimmen, die hinter einem stehen? -Unser Leser hat kürzlich mit beidem schlechte Erfahrungen gemacht.

Illustration: Serge Bloch

»Zweimal die gleiche Situation: Lange Schlange an der Supermarktkasse. Ich bin als Nächster dran, hinter mir fünf bis sechs Kunden. Erstes Erlebnis: Jemand kommt mit zwei Artikeln in der Hand und fragt, ob ich ihn schnell vorlasse. Ich sage Ja. Von hinten werde ich zurechtgewiesen, dass alle Wartenden gefragt werden müssen. Ups, da ist was dran. Zweites Erlebnis: Kundin kommt mit zwei Blumentöpfchen vom Außenbereich vor der Kasse und fragt … Aufgrund meiner früheren Erfahrung erwähne ich höflich die notwendige Einwilligung aller anderen Kunden. Die Kundin dreht sofort zornig ab, bringt die Blumen wieder raus und geht. Gibt es ein Richtig für diese Situation?«
Hans-Günther F., München

Die Situation ist enorm tricky und erfordert von allen Beteiligten viel Fingerspitzengefühl. Denn hier kommt viel zusammen: verschiedene Temperamente, verschiedene Bedürfnisse, verschieden große Egos; verschieden viel Zeit, verschiedene Launen, verschiedene Kinderstuben. Nur wirklich erfahrene Großstädter, die schon viele Jahre im Umgang mit dieser oder einer vergleichbaren Situation hinter sich haben (das Einchecken geht los bei einer Billigfluglinie / die Schlange vor der Damentoilette nach vier Stunden Filmpreisverleihung / in der Apotheke oder Postfiliale steht man in einer Schlange für mehrere Schalter an, jemand Neues kommt rein und tut so, als sähe er das nicht), wissen hier eindeutig, wie zu handeln ist.

Alle anderen begeben sich in eine absolute Gefahrenzone. In dieser Lage steckt Ausrastungspotenzial. Denken Sie an Michael Douglas in Falling Down. Wo er in einen Fastfood-Laden kommt und das Frühstücksmenü bestellt, und dann erklärt ihm die Angestellte, das gebe es um diese Uhrzeit nicht mehr, dabei ist es nur zwei Minuten über die Zeit. Und er wird dann so wütend, dass er eine Knarre auspackt, die er zufällig dabei hat, und man sitzt vor dem Bildschirm und kann ihn einfach nur verstehen.

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Zu den von Ihnen geschilderten Beispielen: Im ersten Fall waren Sie sehr nett, haben aber selbst gemerkt, wie der Hase läuft. Im zweiten Fall haben Sie alles, alles richtig gemacht. Hier lag der Fehler einzig und allein auf Seiten der Drängelnden. Und wenn die so blöd ist, dass sie es nicht einmal schafft, ihre offenbar nur aus taktischen Zwecken vorgespielte Freundlichkeit länger aufrechtzuerhalten, als eine müde und hungrige Dreijährige das schaffen würde, dann soll sie doch ihr armselig gestresstes Leben ohne zwei Blumentöpfchen fortführen, meine Güte, es ist doch wirklich eine Zumutung, was die Leute alles für so wichtig halten.