Wie unterhaltsam, so ein vielgereister Hotelier: Jonathan Poole, Engländer, Anfang fünfzig, lernte im Internat einst Russisch, nach der Schule begann er, in Hotels der alten Sowjetstaaten zu arbeiten: Taschkent, Alma-Ata, Moskau, St. Petersburg. Vor zwanzig Jahren hatte er das Gefühl, dass sich in Russland alles zum Schlechten wendet. Also Tallinn. Er kaufte ein Hotel ohne Dach, es waren, erzählt er, zwei Häuser mit einem Nachtclub im Keller. 800 000 Euro habe er bezahlt und fünf Millionen in die Renovierung des Kaufmannshauses von 1368 gesteckt. Chinesische Möbel in den Zimmern, im Erdgeschoss ein Laden: Schals, Mützen einer Estin, die jetzt in London lebt, Ohrringe, Kerzen, schön.
Poole sitzt so gut wie immer an der Rezeption, mehr als drei Stunden Schlaf bekommt er nicht, sagt er. Sogar die Spiegeleier brät er fürs Frühstück. Natürlich kennt er die tollsten Orte in der Altstadt: Antiquitätenläden, in denen man alte Seekartentaschen findet; das Restaurant »Rataskaevu 16«, wo es Kürbissuppe, Elchfilet und frittierten Hering gibt. Und meinen Lieblingsort in Tallinn, den versteckt gelegenen Club »D’Boiss«, in dem man Zigarren, Schuhe und Hüte kaufen kann, Schach und Karten spielen, Fußball schauen oder einfach rauchen, trinken und manchmal essen, mitunter finden Jazzkonzerte statt, tagsüber ist ein Friseur da.
Vor der russischen Botschaft in Hotelnähe hängen rot gefärbte Babystrampler und Protestplakate. Natürlich ist der Krieg in der Stadt spürbar. Aber an den Wochenenden ist Pooles Hotel ausgebucht, wenn die trinkfreudigen Finnen mit der Fähre kommen.
Merchants House Hotel, Dunkri 4/6, 10123 Tallinn, Estland, Tel. +372 6977 500, DZ ab 75 Euro/Nacht.