Korrekt gelümmelt

Rückenschmerzen im Homeoffice gibt es nicht erst seit Corona: Quer durch die Kunstgeschichte lümmelt man beim Arbeiten zu Hause seit Jahrhunderten auf ­untauglichen Möbeln. Wir haben drei Ergo­nomie-Fachleute gefragt, was wir von den Arbeits­plätzen auf berühmten Gemälden lernen können.

Jean Huber — Voltaire beim Aufstehen in Ferney, seinem Sekretär Collini ­diktierend, ca. 1772.

Bild: Jean Huber Voltaire beim Aufstehen in Ferney, seinem Sekretär Collini ­diktierend Paris Musées/Musée Carnavalet-Histoire de Paris

Work-Sleep-Balance (oben)

Wer mangels Alternativen im Schlafzimmer arbeiten muss, braucht eine verlässliche Planung, um nicht etwa den Partner oder die Partnerin beim Schlafen zu stören. »Es ist aber für viele auch belastend, abends mit Blick auf den Arbeitsplatz ins Bett zu gehen«, sagt die Physiotherapeutin Susanne Weber. Oft helfe ein Paravent, der den Raum teilt – oder notfalls eine Decke, die man abends über den Schreibtisch wirft.

Zu viel aufgehalst

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Paul César Helleu — Die Frau des Künstlers an ihrem Schreibtisch, ca. 1900.

Foto: Sotheby's/akg-images

Das ergonomische Minimum ist auch im Homeoffice ein Stuhl mit Lehne – ansonsten leiden auf Dauer Rücken oder Nacken. »Man sieht hier typische Zwangshaltungen in der ­Wirbelsäule und der Schulter«, sagt Rolf Ellegast, stellvertretender Leiter des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfall­versicherung. Die Halswirbelsäule habe zu viel Gewicht zu tragen. Wer so am Laptop sitzt, dem hilft eine externe Tastatur, damit der Blick nicht direkt zu den eigenen Händen gehen muss. Der Frau auf dem Bild hätte vielleicht eine Brille geholfen.

Korrekt gelümmelt

Adolf Schroedter — Don Quichotte, im Lehnstuhl lesend, 1834.

Foto: bpk/Nationalgalerie, SMB/Andres Kilger

Wer nicht den halben Tag in so einer Position verbringt, macht nicht unbedingt etwas falsch, sagt die Ergonomieberaterin und Physiotherapeutin Susanne Weber: »Es ist gut, etwas im Arbeitszimmer zu haben, das einen hin und wieder vom Schreibtisch weglockt und zu einer ganz anderen Sitzposition verführt. Für manche ist das ein dynamischer Hocker, für andere eben so ein Ohrensessel.« Da dürfe man – aber bitte nur als sogenannte Ausgleichshaltung – durchaus auch mal lümmeln.

Abstand halten

Jean-Étienne Liotard — Porträt von Maria Adelaide von Frankreich, in türkischem Stil gekleidet, 1753.

Foto: Bridgeman Images

Ob Buch oder Tablet – gerade bei gemütlichen Sitzpositionen wie dieser ist die Entfernung vom Auge zum Text oft zu gering, sagt Christian Brunner, Vorstandsvorsitzender des Instituts für Gesundheit und Ergonomie in Nürnberg: »Die meisten sind zu nah dran. Hier aber passt der Abstand genau. Auch der Rücken ist mit Sofa und Kissen gut gestützt.« Sieht also nicht nur gemütlich aus, sondern auch vorbildlich.

Vom Thron gestoßen

Carl Larsson — Esbjörn in der Studienecke, 1912.

Foto: akg-images

Im Lockdown mussten fürs Homeoffice oft die Möbel herhalten, die eben gerade da waren, sagt Susanne Weber. »Man hat nicht gleich einen Rückenschaden, wenn man mal im Riesen-Ohrensessel arbeitet. Es darf aber nicht von Dauer sein.« Moderne ergonomische Stühle seien vor allem beweglich: Rückenlehne, Sitzhöhe, Armlehne – alles müsse einstellbar sein. Gerade Chefsessel seien früher »starre Throne« gewesen. Das sei zum Glück vorbei.

Blind am Wasser

Giovanni Fattori — Silvestro Lega, in Riva al Mare malend, 1866–1867.

Bild: Giovanni Fattori/via Wikimedia Commons/The York Project (2002) Zenodot Verlagsgesellschaft mbH

Auch das kann Homeoffice sein: Manche nehmen den Laptop an den Pool, ins Freibad oder gleich an den Strand mit. Doch der Experte Rolf Ellegast rät ab: »Bildschirmarbeit draußen ist immer extrem anstrengend für die Augen.« In einem Büro sei eine Lichtstärke von 500 bis 1500 Lux ideal. Draußen könne man es bei Sonnenschein aber auch mit 100 000 Lux zu tun haben. »Die Augen müssen ständig zwischen Hell und Dunkel wechseln, und man muss sehr nah an den Monitor, um etwas zu erkennen. Der pure Stress.« Da helfe auch der größte Sonnenschirm nichts.

Aus dem Stand

Max Liebermann — Die Enkelin des Künstlers am Tisch, 1923.

Foto: Bildarchiv Steffens/Bridgeman Images

Stehschreibtische werden längst nicht mehr nur Kolleginnen und Kollegen mit chronischem Rückenleiden empfohlen. Susanne Weber rät zur »60-30-10-Regel«: 60 Prozent sitzen, 30 Prozent stehen, zehn Prozent Bewegung. Ihr Tipp: Sich vorab überlegen, welche Tätigkeiten sich fürs Stehen anbieten, damit es im Alltagsstress nicht untergeht. »Meinen Klienten empfehle ich außerdem gern ein Balance-Brett unter den Füßen, sozusagen einen Bewegungsverführer, dann wird das Stehen zu einer dynamischen Aktivität.« Der Tisch muss natürlich höher sein als hier im Bild – wer so buckelt, bekommt Nackenschmerzen.

Spiegelfrei

Hans Thoma — Die Mutter des Künstlers im Stübchen, 1871.

Foto: mauritius images/history and art collection/alamy

Schreibtische stehen am besten seitlich zum Tageslicht – sodass man nicht zum Fenster schaut, aber auch nicht mit dem Rücken zum Fenster sitzt. Denn beides blendet. »Wenn das Tageslicht nicht reicht, sollte das künstliche Licht direkt von oben kommen, damit nichts spiegelt«, sagt Christian Brunner. Ein Hocker unter den Füßen wie hier kann übrigens sinnvoll sein, wenn der Laptop oder das Tablet – bitte wieder nur vorübergehend – auf den Knien liegt.

Nacktarbeit

Alfred Henry Maurer — Der gelbe Wandschirm, undatiert.

Foto: Chriestie's Images Ltd/ARTOTHEK

Für Videokonferenzen reicht eigentlich ein Oberteil, und wer gar keine Termine hat, könnte auch nackt am Tisch sitzen. Doch Studien zeigen, dass Kleidung im Homeoffice sich positiv auf die Motivation auswirken kann. Ob das stimmt, kann ja jeder selbst prüfen.

Spiralensitz

Gabriel Metsu — Briefschreibender Herr, ca. 1664–1666

Foto: mauritius images/Artefact/Alarmy

Wenn die Beine nicht unter den Schreibtisch passen, müssen sie eben daneben. »Gift für den Rücken«, sagt Christian Brunner dazu. »Wir sprechen von einer Torsion, das ist eigentlich eine Fitnessübung und keine Dauerhaltung: Das Becken kippt, der Oberkörper dreht sich.« Also Gerümpel raus aus dem Beinraum und Füße so unter den Tisch, dass Unter- und Oberschenkel im 90-Grad-Winkel zueinander stehen.