Bei dir piept's wohl

Spülmaschine, Kühlschrank, Herd - fast jedes Haushaltsgerät nervt inzwischen mit akustischen Signalen. Muss das sein? Und warum piept es immer viermal?

Knopf drücken - schon piept es. Und wenn das Programm durchgelaufen ist, piept's wieder. Und wieder. Und wieder

Foto: Monkey Business/Fotolia.de

Neulich in der Ferienwohnung, ich liege abends im Dämmerschlaf. Warum hört der verdammte Vogel nicht auf zu piepen? Umdrehen, Weiterdämmern. Dann geht’s wieder los, piep, piep, piep, piep. Wegdrehen. Piep, piep, piep, piep. Die Natur kann einen schon nerven, kaum dass man mal aus der Stadt raus ist! Piep, piep - aber warum, rumort es im Kopf, sitzt der Vogel in der Küche? Ich tappe aus dem Bett, an der Wand entlang zur Küchenzeile und – piep, piep, pie – erschlage das Ding. Es war aber auch kein Vogel, sondern die Spülmaschine.

Gegen Mitternacht, gerade bin ich weggenickt, geht’s wieder los. Diesmal in der Waschküche. Piep, piep, piep, piep. Nicht zwei Mal, nicht drei Mal, nein, dieses viermalige Piepen, das sich nicht begnügen und beruhigen will. Ich vergrabe meinen Kopf unterm Kissen. Es piept mitten in der Nacht, es piept Sonntagvormittags, es piept morgens um fünf Uhr dreißig und um fünf vor sieben noch einmal, es piept die Spülmaschine, wenn sie fertig ist, es piept die Waschmaschine, es piepen der Kühlschrank und das Eisfach, wenn man es offen lässt, es piept im Auto, wenn man den Gurt nicht sofort umschnallt, es piepen die Flaschenrückgabe, das Fieberthermometer und der Ofen, und es piept die Herdplatte: wenn man sie anmacht, wenn man was draufstellt, wenn man den Topf runter nimmt, wenn man ihn zurückstellt, wenn man sie ausmacht. Und wenn sie aus ist, man aber einen Topflappen drauf liegen lässt, piept sie auch.

Es gibt bestimmt Designer und Tech-Visionäre, die glauben, sie täten uns damit einen Gefallen. Juhu, denkende Maschinen, der Alltag komplett durchelektronisiert, an nichts mehr muss man mehr selbst denken! Zugegeben, manchmal mag es praktisch sein: Der Kuchen verkohlt nicht, die Wäsche verkrümpfelt nicht, das Schoko-Eis taut nicht auf und der Mensch sitzt ein wenig sicherer im Auto. Aber warum piept es, wenn man einen Lappen auf eine ausgeschaltete Induktionsplatte legt, die ohnehin nur Metall wärmt und zwar wenn sie angeschaltet ist? Warum piept die Spülmaschine? Denn die Teller können nicht anbrennen, auftauen oder krümpfeln. Was, ihr Techie-Tüftler, habt ihr euch dabei gedacht?

Meistgelesen diese Woche:

Und warum, verdammt, piept es nicht einmal? Oder zweimal oder dreimal? Wer kam auf die irre Idee, die Geräte VIER Mal piepen zu lassen? Alle guten Dinge sind drei und manche Menschen kapieren sogar schon beim zweiten Piep, was Sache ist! Dieser vierte Piep, das ist der, der einen wutentbrannt aufspringen lässt, um das Gerät zu zerschlagen. War das Ziel von Technik und Design nicht mal, den Menschen den Alltag so angenehm wie möglich zu gestalten?

Schließlich stellt sich noch die Frage: Warum ein Piepen und kein anderes Geräusch? Warum kein Glockenton, keine Harfe, keine Fanfare, kein Klavierakkord, kein Klangschalengong wie bei der Meditation? Warum muss es so schrill sein? Fehlt den zuständigen Designer, frage ich mich, ein Gefühl für klangliche Schönheit?

Das Piepen müsse eben ein Signal sein, sagt Oliver Curdt, Professor für Tontechnik und Sounddesign in Stuttgart, wie der Pieks mit einer Nadel. An den gewöhne man sich auch nie. Sounddesigner seien froh gewesen, als sie Geräte überhaupt erstmals mit elektronischen Alarmtönen ausstatten konnten. Die erste Casio-Uhr, die immer zur vollen Stunde piept; der erste Kuli mit Digitalanzeige, der Hit unter den Schülern der Achtziger! Es sei eben, sagt der Professor, das ewige Spannungsverhältnis zwischen Gebrauchstauglichkeit und Ästhetik. Und man könne die Geräusche manchmal auch abschalten. Oder, wenn das nicht möglich sei, wenigstens »maskieren«, also mit anderen Geräuschen übertönen. Ich könnte das Fenster aufmachen und den Verkehrslärm von (sounddesignten) Autos reinlassen oder die Musik laut aufdrehen. Nur im Urlaub, sagt Curdt, werde man dann halt vom ungewohnt piependen Kühlschrank aufgeschreckt.

Der Hamburger Designer Mathias Knigge, der schon Firmen wie Gigaset, Stihl und Sennheiser beraten hat, fragt provokant, ob man mit weniger grässlichen Signaltönen die wirklich schönen Töne nicht sogar verunglimpfen würde? Mozarts Kleine Nachtmusik zum Beispiel, die früher oft in Telefonwarteschleifen ertönte, die habe man dann irgendwann auch nicht mehr hören können. Ist es also vielleicht sogar gut, dass die Signaltöne des »Ubiquitious Computing«, so grässlich sind? Weil sie ja unsere Aufmerksamkeit erregen müssen, in einem von digitaler Elektronik überfluteten Alltag? Und das offenbar am ehesten tun, wenn sie VIER mal SCHRILL PIEPEN?

Der Designer und ich, wir glauben ja noch ans Gute. Dass es anders geht. Schön. Klangvoll. Gong. Man solle, meint Mathias Knigge, dem Menschen die Freiheit lassen, bei Kühlschrank, Spülmaschine und Co. seine Lieblingstöne selbst hochzuladen. So dass man nicht Jahre lang bei jedem vierten Piep denken muss: Ich muss endlich mal rausfinden, wie man das Gepiepe abschaltet!

Dass das aber auch nicht die Lösung sein muss, zeigte sich kürzlich, als ich mit Freunden im Biergarten saß. Es piepte, und wir griffen alle gleichzeitig in unsere Taschen – offensichtlich hatten wir uns aus den Milliarden möglichen Klingeltönen alle den gleichen ausgesucht. Dann war es aber gar kein Handy und auch nicht der Vogel im Baum. Sondern der Buzzer auf dem Tisch, der signalisiert, dass das Essen fertig ist:  Piep, piep, pie -