Was stört hier?

Wir stellen Ihnen jede Woche junge, talentierte Fotografen vor. Diesmal: Anja Behrens, die Landschaftsaufnahmen an zwölf Atomkraft-Standorten in Deutschland gemacht hat.

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Name: Anja Behrens
Geboren: 1983 in Stuttgart
Ausbildung:  Kommunikationsdesign an der Hochschule Darmstadt
Webseite: www.behrens-photography.com

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SZ-Magazin: Für Ihre Serie »Kritische Gefilde« haben Sie Atomkraft-Standorte in Deutschland besucht. Auf manchen Ihrer Fotos sind die Kraftwerke aber kaum auszumachen.
Behrens: Der Betrachter soll sich zunächst einmal in einer schönen Landschaft befinden und dann mit dem Atomkraftwerk quasi das Haar in der Suppe finden. Dann kann er selbst überlegen: Was macht das in dem Bild? Was macht das in dieser Landschaft? Der Bildaufbau orientiert sich an der flämischen Landschaftsmalerei. Es wird mit dem Horizont gespielt, der immer sehr tief ist, mit einer starken Wolkenbildung. Informationen werden unterschwellig geliefert.

Warum haben sie diese äußerst subtile, fast unterkühlte Art der Darstellung gewählt?
Als ich die Arbeit vor zwei Jahren gemacht habe, hatte ich das Gefühl, dass viele Menschen von einer eher ablehnenden Haltung zu einem »Hm, ja vielleicht kommen wir doch einfach nicht ohne Atomkraft aus« geschwenkt sind. Ich habe viele Leute getroffen, die kein Vertrauen hatten, dass regenerative Energien das kompensieren können. Auch ich war mir nicht sicher, ob wir den Atomausstieg tatsächlich schaffen können. Man hört immer viel, aber weiß recht wenig. Deshalb habe ich mir von allen Kernkraftbetreibern Info-Material zukommen lassen und habe einfach mal recherchiert. Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass der Ausstieg notwendig und machbar ist. Aber viele waren dieses »Atomkraft? Nein, Danke!« einfach leid. Das war ausgelutscht zu dem Zeitpunkt, war als »öko« verschrien. So ist die Idee entstanden, eine Serie zu machen, die nicht mit erhobenem Zeigefinger daherkommt, sondern das Thema subtil beschreibt und umschreibt, um mal wieder nachzudenken, ob Atomkraft wirklich notwendig ist.

Jetzt ist das Thema durch das Unglück in Japan wieder aktuell. Würde Ihre Arbeit jetzt anders aussehen?
Die Arbeit ist noch vor dem Hintergrund entstanden, dass jeder gesagt hat: Tschernobyl war ganz furchtbar, aber mittlerweile ist die Technik viel sicherer geworden. Das war die breite Meinung - und die hat sich nun als komplette Fehleinschätzung erwiesen. Heute müsste man nicht mehr subtil auf die Existenz einer unterschwelligen Bedrohung hinweisen. Jetzt müssen Konsequenzen gezogen werden.

Wie haben Sie die unmittelbare Nähe zu den Atomkraftwerken empfunden?
Es war eine beunruhigend Erfahrung. Dort herrscht eine unheimliche Grundstimmung. Ich habe auch mal nachts fotografiert und man hat in diesem Naturschutzgebiet nur das Pumpen des Kraftwerks gehört, das war ein eigenartiges Gefühl. Manche Kraftwerke sehen aber auch aus, wie ganz normale Industrieanlagen. Das war mir vorher nicht so bewusst. Erst wenn man das Schild am Eingang liest, weiß man, was sich dort befindet.

Wie kommen die Leute, die in der Umgebung der Kraftwerke wohnen, damit klar?
Natürlich wohnt keiner gerne dort. Jeder hätte das Kraftwerk gerne weg. So eine grundsätzliche Angst ist, glaube ich, bei jedem da, weil es eine unterschwellige Gefahr ist, die man einfach nicht sieht. Und wenn dann Krankheitsfälle in der Umgebung auftreten, fragen sich viele: Ist das jetzt durch das AKW beeinflusst? Trotzdem scheinen sich die meisten Bewohner mit der Situation arrangiert zu haben. Viele sagen, sich, was soll ich machen, mein Großvater hat hier schon gewohnt, also bleibe ich, und dass jetzt das Kraftwerk da ist, daran kann ich nichts ändern. Mir sind aber auch Leute begegnet, die gesagt haben: »Andere Leute haben einen Kindergarten vor der Haustür, wo immer Lärm ist, wir haben halt ein AKW« – da muss man schon schlucken, wenn man so was hört.

Fotos: Anja Behrens