Als Ringo Starr 1989 begann, mit seiner All-Starr Band zu touren, waren Musiker wie Dr. John, Joe Walsh, Rick Danko und Levon Helm dabei. Inzwischen ist Ringo mit der elften Ausgabe der All-Starrs unterwegs; für einige Konzerte kommt die Truppe nun nach Deutschland. Heute ist die Band längst nicht mehr so prominent besetzt wie in den Anfangstagen, doch wenn man sich für die Geschichte der Rockmusik interessiert, begegnet man auch in dieser Formation einigen interessanten Musikern, früheren Stars, die einst die Kids zum Toben gebracht haben und nun als Denkmäler einer längst vergangenen Zeit für die Dauer einer Tour wieder aus der Versenkung auftauchen. Zum Beispiel Edgar Winter, Gary Wright (Spooky Tooth) und vor allem Rick Derringer.
Derringer sang als 18-Jähriger den Party-Dauerbrenner »Hang On Sloopy«, spielte danach Bluesrock mit Johnny Winter und hatte in den Siebzigern einige Erfolge als Hardrock-Gitarrist. Als Studiomusiker und Produzent arbeitete er mit Acts wie Steely Dan, Alice Cooper, Todd Rundgren, Kiss, Meat Loaf, Barbra Streisand und Cyndi Lauper; in den letzten Jahren veröffentlichte er Platten mit christlichen Songs, lieferte die Musik zu Wrestling-Events und trat weiterhin regelmäßig auf. Besonders stolz ist er auf den Erfolg seines patriotischen Liedes »I'm A Real American«. Derringer ist ein Mann aus der zweiten oder dritten Reihe – aber ein Zeitzeuge, der Aufstieg und Fall der Rockmusik hautnah miterlebt hat. Deshalb hat es mich gefreut, dass ich neulich mit ihm telefonieren konnte.
Rick Derringer, wie ist es denn so, mit Ringo zu spielen?
Das ist eine große Ehre. Es leben schließlich nur noch zwei von den Beatles, Paul und Ringo. Und die Beatles waren nun mal die größte, erfolgreichste und einflussreichste Band meiner Generation.
Sie sind einer der wenigen noch aktiven Rockmusiker, der schon vor den großen Erfolgen der Beatles mit der Musik begann.
Ja, das stimmt. Ich habe die McCoys 1961 in der High School gegründet, da war ich 14. Wir haben sämtliche Hits gespielt, die damals gefragt waren, aber auch Country-Instrumentals und Jazzsongs wie »Caravan«, mit denen wir ein bisschen angeben konnten.
Wissen Sie noch, wann Sie zum ersten Mal mit der Musik der Beatles in Kontakt gekommen sind?
Der erste Beatles-Song, den ich gehört habe, war »Please Please Me«, glaube ich, allerdings in der Version von Del Shannon. (Anmerkung: Tatsächlich dürfte es sich um »From Me To You« gehandelt haben, das Shannon 1963 coverte.) Die Nummer gefiel mir so gut, dass ich mir im Plattenladen die Single bestellt habe. Ein paar Tage später haben die mich angerufen und gesagt, dass sie die Del-Shannon-Single nicht auftreiben konnten. Sie hätten den Song aber von einer Gruppe namens The Beatles. Ich habe mir die Single angehört und gedacht, hm, da hat mir Del Shannon besser gefallen. Wir haben den Song aber trotzdem gelernt. Ein paar Wochen später hatten die Beatles ihren Auftritt in der Ed-Sullivan-Show, von da an kannte sie jeder.
Was hat sich danach für Sie und die McCoys geändert?
Wir haben uns zum Beispiel diese kragenlosen Beatles-Anzüge gekauft und Pilzkopf-Frisuren schneiden lassen. Diese Ähnlichkeiten haben dazu beigetragen, dass wir einen Plattenvertrag bekamen – die Produzenten hofften, mit uns groß abzusahnen. Am wichtigsten war aber, dass die Beatles die jungen Musiker ermuntert haben, ihre eigenen Songs zu schreiben. Das war das neue an ihnen.
Wie entstand »Hang On Sloopy«, der große Hit der McCoys?
Die Vibrations hatten mit dem Song 1964 einen Hit in den R&B-Charts, damals allerdings noch unter dem Namen »My Girl Sloopy«. Wir kannten den Song, und als wir ihn 1965 einem Produzententeam vorgespielt haben, fanden sie’s toll und haben uns gleich nach New York eingeladen, um den Titel aufzunehmen. Das hat uns total umgehauen, wir waren damals ja noch wahnsinnig jung. Im Studio hat es dann nicht lange gedauert, bis der Song im Kasten war. Mich hat allerdings gewundert, warum er »My Girl Sloopy« heißt, wenn die ganze Zeit »Hang On Sloopy« gesungen wird. Also habe ich den Produzenten vorgeschlagen, den Titel zu ändern.
»Einer der wichtigsten Aspekte der Musik sind für mich die Fehler. Wenn wir alle Fehler herausnehmen, was heute im Computer leicht möglich ist, nehmen wir auch die Menschlichkeit heraus«
Ab Mitte der Sechziger hat sich viel in der Rockmusik geändert, besonders für Gitarristen. Auf einmal war ein verzerrter Sound angesagt.
Einer meiner Lieblingsverstärker ist der Fender Super Reverb Amp. Wenn man den richtig aufdreht, klingt die Gitarre automatisch verzerrt. Als ich zum ersten Mal Eric Clapton gesehen habe, damals spielte er bei Cream, hat er große Marshall-Türme gehabt – auch da war die Verzerrung schon Teil des Sounds. Sehr populär war damals auch das Maestro Fuzztone-Effektgerät von Gibson. Das erkennt man sehr leicht, man hört es zum Beispiel auf »Satisfaction«, »Over Under Sideways Down« und vielen Jimi-Hendrix-Songs.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Garagenbands hatten die McCoys später auch Erfolg mit psychedelischer Rockmusik.
Zuerst waren wir eine Garangenband, dann haben wir Bluesrock mit Johnny und Edgar Winter gespielt, danach hatte ich eigene Bands, habe als Produzent und Studiomusiker gearbeitet – heute bin ich immer noch hier und rede mit Ihnen.
Wie haben Sie es geschafft, so lange im Geschäft zu bleiben?
Das habe ich mich auch gefragt. Ich glaube, es ist das Herz. Wenn du dein Herz in die Musik legst, wenn die Leute dir glauben, dann wirst du akzeptiert – heute wie damals. Es gibt schließlich nur zwölf Töne in unserer Tonleiter. Die kann man nicht unendlich oft miteinander kombinieren. Das einzige, was die Musiker voneinander unterscheidet, ist ihr Herz. Wenn das Publikum dich in deiner Musik hören kann, hast du das wichtigste geschafft.
Sie haben mit vielen wichtigen Musikern zusammengespielt, leider können wir die nicht alle durchgehen. Was ich aber schon immer wissen wollte: Stimmt das Gerücht, dass der Steely-Dan-Song »Rikki Don’t Lose That Number« von Ihnen handelt?
Wenn Sie sich den Text anhören, merken Sie, dass der Text von einer Frau handelt, nicht von mir. Aber es gibt trotzdem eine Verbindung. Ich war eines nachts mit Steely Dan im Studio, und aus irgendwelchen Gründen hatte ich Donald Fagens Telefonnummer verloren. Er hat sie mir aufgeschrieben, und als er mir den Zettel reichte, sagte er: »Ricky, don’t lose that number«. Ich denke, da hat er gemerkt, dass es ein guter Songtitel wäre.
Als Entdecker von Weird Al Yankovic haben Sie sich außerdem um die humoristische Musik verdient gemacht.
Dank der Plattensammlung meiner Eltern habe ich schon früh »novelty acts« wie Ray Stevens oder Spike Jones kennengelernt. An die musste ich denken, als ich Weird Al zum ersten Mal gehört habe. Ich erkannte sofort, dass er unglaublich talentiert ist, außerdem gab es damals, Anfang der Achtziger, niemand anderen, der ähnliche Musik gemacht hätte. Also habe ich sein erstes Album selbst produziert, mit meinem eigenen Geld – es wurde ein Hit. Ich habe dann sechs Alben mit ihm gemacht und zwei Grammys gewonnen.
Noch heute verklären viele Musikfans die Sechziger. War das wirklich so eine besondere Ära?
Ich denke, dass die Musik den Jugendlichen früher viel wichtiger war als heute. Damals hatte man einen Plattenspieler oder ein Radio, heute hat man einen Computer, auf dem auch Spiele und Videos laufen. Die Menschen konzentrieren sich heute nicht mehr so auf die Musik wie damals in den Sechzigern, als eine ganze Generation von Jugendlichen auf der ganzen Welt auf uns, die Musiker, fokussiert war. Diese Ära ist vorbei, das wird es tatsächlich nie wieder geben.
Manche Leute sagen, die große Wirkung der alten Rockmusik hätte auch mit der Art und Weise zu tun, wie damals Platten aufgenommen wurden.
Ich glaube, das stimmt. Digitale Aufnahmen klingen erst seit kurzem annähernd so gut, wie die alten analogen Aufnahmen schon immer klangen. Einer der wichtigsten Aspekte der Musik sind für mich die Fehler. Wenn wir alle Fehler herausnehmen, was heute im Computer leicht möglich ist, nehmen wir auch die Menschlichkeit heraus. Und dann berührt die Musik die Menschen auch nicht mehr.
Mit seiner All-Starr Band spielt Ringo folgende Konzerte in Deutschland und Österreich:
07. Juli – Stadtpark, Hamburg
10. Juli – Philipshalle, Düsseldorf
12. Juli – Tempodrom, Berlin
13. Juli – Circus Krone, München
14. Juli – Kongresshaus, Salzburg
16. Juli – Jahrhunderthalle, Frankfurt
17. Juli – Vienna Open Air, Wien