Yee-haw!

Beyoncé lanciert eine Modekollektion im Western-Stil. Entdeckt die glamouröseste Frau der Welt plötzlich das Landei in sich? Wohl kaum. Vielmehr geht es ihr um eine neue Sichtweise auf den amerikanischen Cowboy-/Cowgirl-Mythos.

Foto: Instagram/ivypark

Macht eine der glamourösesten Frau der Welt jetzt etwa auf Landei?Vergangene Woche veröffentlichte Beyoncé ein Video auf Instagram, in dem sie die neuen Kollektionen ihres mit Adidas betriebenen Modelabels Ivy Park ankündigt. Dieses zeigt haufenweise Cowboy- und Rodeo-Szenerie; die Sängerin ist unter anderem Lasso schwingend und im Jeans-Komplettoutfit vor einem Hintergrund aus Stroh zu sehen. 

Die modische Begeisterung für den amerikanischen Westen und Cowboy-Kultur ist beständig. Während Anfang der 2000er Paris Hilton und Nicole Richie bei ihren Versuchen des Stall-Ausmistens in »The Simple Life« ihre Cowboyhüte zu verspiegelten Sonnenbrillen und jeder Menge Strass paarten, kamen die Bezüge im letzten Jahrzehnt etwas gedeckter daher.

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Zu seiner Zeit als Kreativdirektor bei Calvin Klein ab 2016 zeigte Raf Simons in seinen Kollektionen eine moderne Interpretation klassischer Americana-Elemente – seine minimalistisch gestalteten Cowboyboots mit abgeflachter Metallspitze wurden zu Must-Haves dieser Ära. Anschließend waren es eher romantische Prärielooks, in denen der Western-Bezug in der Mode weiterlebte. Maria Grazia Chiuri widmete ihre Resort-Kollektion 2019 mexikanischen Rodeoreiterinnen, gleichzeitig erfreuen sich die oft bodenlangen Rüschekleider mit krausen Stehkrägen von Labels wie Batsheva aus New Yorker oder dem britischen The Vampire’s Wife größter Popularität – und hätten auch auf jeder Bilderbuch-US-Ranch eine gute Figur abgegeben.

Die jüngste Ausgeburt der Cowboy/Cowgirl-Mode ist aber eine sehr viel knalligere. Niemand steht dafür exemplarischer als der amerikanische Rapper Lil Nas X. Dieser wurde vor zwei Jahren plötzlich berühmt, als sein Song »Old Town Road« auf der Social-Media-App Tiktok eine Challenge auslöste, bei der User sich nach dem Trinken von »Yee Yee Juice« auf ihren Videos in Cowboys und -girls verwandelten. »Old Town Road« wurde später zum Song, der am längsten an der Spitze der Billboard-Charts stand und Lil Nas X zum preisgekrönten Entertainer. So wie er in seiner Musik den Countrystil in ein neues Zeitalter hebt, so tut er das auch in der Mode. In seinen flamboyanten Looks paart Lil Nas X knallbunte Cowboyboots zu ebenso bunten Leder- oder Glitzer-Anzügen, Rüscheblusen oder pinken Versace-Harnessen und nietenbesetzen Cowboyhüten und ist damit nicht nur eine Ikone der genderlosen Mode, sondern auch der sogenannten »Yee-Haw Agenda«. Dieser Begriff beruht auf einem Tweet der Mode-Archivistin Bri Malandro, die auf ihrem Instagram-Account @theyeehawagenda Cowboy- und Western-Looks dokumentiert, die in den vergangenen Jahrzehnten von Schwarzen und People of Color getragen wurden – darunter Prince, Mariah Carey oder Mary J. Blige ebenso wie die derzeitigen Superstars Megan Thee Stallion oder Lizzo, die in ihren jüngsten Videos gern extravagante Western-Outfits trugen. Die goldglitzernden Fransen-Schlaghosen, Miniröcke mit Kuhfleckenprint oder hautengen Denim-Corsagen aus Beyoncés neuer Ivy-Park-Kollektion dürften ihnen als perfekte Bühnenoutfits dienen.

Laut der New Yorker Federation of Black Cowboys machten Afroamerikaner Ende des 19. Jahrhunderts rund 25% aller Cowboys an der westlichen Frontier aus – eine Tatsache, die in der Geschichtsschreibung und stereotypen Besetzung mehrheitlich weißer Westernhelden selten berücksichtigt wird. Nicht nur die genannten Musiker und Musikerinnen, auch etwa Schauspieler Billy Porter (der seinen Emmy 2019 in einem asymmetrischen Riesen-Cowboyhut entgegennahm) oder Designer wie LaQuan Smith, Pyer Moss und Telfar Clemens, die in ihren Kollektionen Western-Elemente zeigen, sorgen dafür, dass sich dieses Narrativ ändert. Country- und Cowboy-Anleihen müssen keineswegs gleichbedeutend mit dem traditionellen Republikanismus eines Clint Eastwood sein, sondern haben ebenso in der Schwarzen und queeren Community ihren Platz.

Daran möchte auch Beyoncé arbeiten. Auf dem Ivy-Park-Instagram-Account spricht unter anderem Glynn Turman, Schauspieler (aus How to Get Away With Murder und Fargo) und selbst Rodeoreiter darüber, wie wichtig Schwarze Cowboys bei der Besiedlung des amerikanischen Westens waren. Und Beyoncé selbst erzählt im Interview zur neuen Kollektion, wie sie als Kind in Houston jedes Jahr zum Rodeo ging und sagt: »Eine meiner Inspirationen stammt aus der übersehenen Geschichte der Schwarzen amerikanischen Cowboys. Viele von ihnen wurden ursprünglich Cowhands genannt, diese wurden stark diskriminiert und oft gezwungen, mit den schwierigsten und temperamentvollsten Pferden zu arbeiten.«

Hoffen wir, dass der geschichtliche Hintergrund sich ebenso gut verbreitet, wie die Ästhetik: Laut der globalen Mode-Einkaufsplattform Lyst stiegen die Suchanfragen zu den Begriffen »Cow Print« und »Rodeo« zwei Tage nach Veröffentlichung des Ivy-Park-Teasers bereits um insgesamt 64 %, die Seitenaufrufe für Cowboyhüte um 26 %.

Wird getragen von: Rednex, Clint Eastwood, Luky Luke, Paris Hilton, Lil Nas X, Lizzo, Billy Porter, Cotton Eye Joe
Wird getragen mit: Strohhalm, Lasso, Marlboro
Der (kommende) Netflix-Film dazu: The Harder They Fall mit Idris Elba und Regina King