Wenn es im deutschen Schlager neben Heino jemals jemanden mit einem »Signature Look« gab, dann war das Wolfgang Petry. Holzfällerhemd, Schnauzer, eine zottelige, lange Lockenfrisur und den gesamten Unterarm voller Freundschaftsarmbänder – das war jahrelang sein unverwechselbares Erscheinungsbild – und die Vorlage unzähliger Karnevalskostüme.
Und nun das: Wolfgang Petry, bis Mitte der 2000er einer der erfolgreichsten deutschen Schlagersänger, besuchte am vergangenen Samstag höchstpersönlich in Berlin eine Show des Musicals »Wahnsinn« – benannt nach Petrys größtem Gassenhauer und gefüllt mit seinen Songs. Der 66-Jährige war kaum wiederzuerkennen: Zwölf Jahre nach seinem letzten Auftritt zeigte sich Petry bei der Zugabe im altrosa Poloshirt, mit Jeans, Turnschuhen – und vor allem kurzem Haupt- und rasiertem Barthaar, welches ein nie gesehenes, nahezu spitzbübisches Gesicht freilegte.
So eine Künstleruniform, wie Petry sie jahrelang pflegte, kann durchaus praktisch sein – einerseits erspart sie einem oder dem Stylisten jede Menge Kopfzerbrechen über die Wahl der Outfits für öffentliche Auftritte (das wissen zum Beispiel auch Mark Zuckerberg und Barack Obama), andererseits verleiht sie einem umgehend einen Wiedererkennungswert – und der ist im konkurrenzbeladenen Geschäft mit der Popmusik von Vorteil. Heinos Brille, Michael Jacksons Handschuhe, Madonnas konische BHs, Amy Winehouses »Beehive«-Frisur, die Pilzköpfe der Beatles, Axl Roses Stirnband – so mehr oder weniger absichtlich, wie die Stylingvorlieben dieser Musiker jeweils entstanden sein mögen – sie sind in Erinnerung geblieben.
Und der charakteristische Look hat noch mehr Vorteile: Man kann ihn irgendwann einfach ablegen. 2006, als Petry immer noch zu den bestverkaufenden deutschen Musikern zählte, beendete er seine Karriere – und verkündete zur Feier seines 30. Bühnenjubiläums auch gleich den Abschied von eben dieser. »Ich hab für mein Leben einfach festgelegt, in Würde abzutreten. Und die Zeit ist für mich gekommen, nach dreißig Jahren, mein Weg ist hier beendet, egal, wie weh mir das tut«, hieß es damals.
Dass es Petry gelang, diesen Abschied tatsächlich so ungewöhnlich konsequent durchziehen, könnte auch an seinem Stilwandel gelegen haben. Die Rolle des zotteligen, Bürgerhäuser füllenden Schlagersängers konnte er nach dem Bühnen-Aus einfach an den Garderobennagel hängen bzw. beim Friseur lassen. Von seinen Freundschaftsarmbändern hatte er sich bereits vier Jahre vor seinem Abschied getrennt, als diese zu Gunsten der Opfer des Hochwassers im Sommer 2002 versteigert wurden.
Obwohl optisch verändert, verschwand Wolfgang Petry nicht ganz aus der Öffentlichkeit. Im Sommer 2014 tauchte er im Musikvideo seines Sohnes auf, 2015 folgte ein (erfolgreiches) Comeback-, 2016 ein Best-of-Album – und im vergangenen Herbst veröffentlichte er gar ein englischsprachiges Album mit Rock- und Country-Songs. Damit das niemand mit einem Comeback verwechselt, hat sich der kurzhaarige, englischsingende Petry auch gleich einen neuen Künstlernamen gegeben: Pete Wolf. Alles richtig, gemacht, Wolle.
Das sagt LL Cool J: Don’t call it a comeback.
Wird getragen von: Jedermann
Die Songzeile dazu: Eiskalt lässt du deinen Schnauzer rasieren