Weiße Jeans sind in gewisser Weise ein riskantes Gewand, aber ein bisschen Wagemut gehört beim Autor Benjamin von Stuckrad-Barre ja nun mal dazu, und als Gebrauchsgegenstand ist dieser Artikel wahrscheinlich sowieso nicht gedacht, sondern eher als Sammlerstück, das nicht abgegriffen wird, sondern gut sichtbar irgendwo rumstehen oder rumliegen soll. Nächste Woche erscheint also die Jubiläumsedition von »Soloalbum«, Stuckrad-Barres Debütroman, der vor ziemlich genau zwanzig Jahren erschien, und dafür bekommt dieses Buch einen besonderen Einband, wie der Verlag ankündigte: in weißem Jeansstoff.
Man könnte jetzt diskutieren, ob das nicht ein bisschen übertrieben ist, also nicht der Jeansstoff, sondern die Jubiläumsedition. Aber die Stoffwahl wiederum leuchtet bei Stuckrad-Barre sofort ein. Die weiße Jeans ist so etwas wie sein Markenzeichen, auf Lesungen ist er häufig damit unterwegs. Seine erste, so steht es in »Panikherz«, bekam er mit 13 von seinem Bruder vererbt, mitsamt einem Nike-T-Shirt. Der richtige Auftritt spielte bei diesem Autor früh eine Rolle, womit er nicht der einzige ist, aber auf diese Weise nun sein Frühwerk zu personalisieren, ist so konsequent wie vermutlich wegweisend.
All diese anderen schönen Rücken, die modisch gesehen vollkommen brach liegen! Sucht Jürgen von der Lippe bereits nach seinem Lieblings-Hawaiihemd für den Einband seiner Autobiografie? Kommt die Jubiläumsausgabe zum 25. Geburtstag von Christian Krachts Faserland in, na klar, Raufasertapete? Die Mode hat sich ja mittlerweile in so ziemlich alle Bereiche eingeschlichen. Von der Handy-Hülle bis zum Badehandtuch kann alles mit Logos bedruckt oder personalisiert werden. Nur bei Buchcovern dominieren weiter die klassischen Designs? Vertane Flächen!
Die britisch-französische Designerin Olympia Le-Tan begann 2012, Abendtaschen zu entwerfen, die wie berühmte Bücher aussahen und landete damit einen Überraschungserfolg. Mehr als 1000 Euro zahlten Kundinnen, um vermeintlich Fitzgeralds Great Gatsby oder Highsmiths Der Fremde im Zug spazieren zu führen. Könnte es also nicht auch andersrum laufen, und man die Cover ein Stück weit wie Handtaschen einkleiden? Hießen Einbände nicht ursprünglich einmal.... Buchmantel?
Die Möglichkeiten wären geradezu grenzenlos. Oliver Kahns Erstlingswerk Nummer Eins könnte nächstes Jahr zum 15. mit einem Bananenprint à la Prada wiederaufgelegt werden. Bei Mark Zuckerberg dürfte es – da muss man nicht lang überlegen - grauer T-Shirt-Stoff werden. Thomas Anders könnte an die alte Poesie-Alben-Tradition anknüpfen und sein finales »Tell all« mit einem Nora-Kettchen und kleinem Schloss dekorieren.
Naomi Campbells Bildband erschien vor zwei Jahren in einer Acrylbox mit eingebauten Brüsten, gestaltet von der Pop-Art-Legende Allen Jones. Spätestens seitdem dürfte klar sein, welches Körperteil von Kim Kardashian einmal zu erwarten ist. Und Cristiano Ronaldos Waden werden für sein fünfbändiges Standardwerk »Siuuuu!« vermutlich in Originalgröße abgegossen werden.
Man könnte so nicht zuletzt die, gerade für die Buchbranche so wichtigen, jungen Zielgruppen erreichen. Das Cover mit Wendepailletten, auf der einen Seite ein Gewehr, auf der anderen das »Peace«-Zeichen, sehen wir förmlich bereits vor uns: Tolstois Krieg und Frieden in der Spezial-Ausgabe für die Generation Z.
Typischer Instagram-Kommentar: »Ein echtes Stück Stucki«
Das sagt die Mutter: »Ich hab noch eine alte Jeans unten, so einen Umschlag schneider ich dir selbst.«
Das sagt der Buchhändler: »Gibt’s für Kinder doch schon ewig. Da heißt das Fühlbücher!«
Neuer Stoff
Die Jubiläumsedition von Benjamin von Stuckrad-Barres Buch »Soloalbum« erscheint mit weißem Jeanseinband. Wie wohl demnächst die Bücher von Jürgen von der Lippe, Mark Zuckerberg und Oliver Kahn aussehen werden?