Das Beste aus aller Welt

Falls es enttäuschenderweise keine Mars-Männchen oder andere Außerirdische geben sollte, so könnten wir doch einfach selbst welche erschaffen, findet unser Kolumnist.

Aus irgendeinem Grund fiel mir der Fall eines Mannes namens Rene Joly wieder ein, der von sich behauptete, ein Marsmensch zu sein. Der damals 33 Jahre alte Joly verklagte im Jahr 1999 vor einem Gericht in Toronto den US-Präsidenten Clinton, die CIA, die Citibank sowie einige Drogeriemärkte mit der Begründung, sie alle betrieben seine Ermordung. Zuerst nämlich hätten sie ihn, Rene Joly, mit Hilfe von auf dem Mars entdecktem Genmaterial geklont, nun sei er ihnen lästig geworden und sie wollten ihn wieder loswerden. Das Gericht aber wies ihn ab: Da er ja selbst behaupte, ein Außerirdischer zu sein, handele es sich bei Joly weder um einen Menschen noch um eine rechtsfähige Organisation – also dürfe er vor einem kanadischen Gericht gar nicht klagen.

Was ist aus Rene Joly geworden? Bei Facebook findet man einen Eintrag unter seinem Namen und tatsächlich drei Freundschaftsanfragen, unter anderem von einem Herrn namens Hase und vom Anwaltnotdienst Berlin – alle unbeantwortet. »5 Personen gefällt das.« Was gefällt ihnen? Warum gefällt es ihnen? Was heißt überhaupt »Personen«? Woher kommen diese »Personen«?

Was es zu geben scheint: einen französischen Musiker namens René Joly, der schon 83 Jahre alt ist, und einen Champagner gleichen Namens, beide aber eben »René« mit Vornamen, nicht einfach »Rene«.

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Die mögliche Existenz von Außerirdischen, insbesondere Marsmenschen, beschäftigt die Menschheit schon eine ganze Weile, sehr lange Zeit sogar, bedenkt man, dass sich nie ein Marsianer wirklich bemerkbar gemacht hat, sieht man von Rene Joly mal ab.
Aber das Bedürfnis nach der Existenz von Außerirdischen scheint so groß zu sein, dass die Menschheit diese nun selbst zu produzieren gedenkt. Gerade wurde in Kalifornien eine Startbahn für Transporter eingeweiht, mit denen der Unternehmer Richard Branson in zwei Jahren Touristen ins Außerdirdische zu transportieren gedenkt.

Und in dieser Woche wurde gefeiert, dass Menschen seit zehn Jahren die Internationale Raumstation ISS bewohnen, sie sind Außerirdische auf Zeit und machen die allerlustigsten Experimente: Wie man sich in der Schwerelosigkeit die Haare wäscht, ohne dass das Shampoo neben dem Haar in der Luft schwebt, zum Beispiel. Oder: Ein russischer Kosmonaut hat die Fähigkeit entwickelt, schwebend überall in der ISS zu schlafen, ohne sich anzuschnallen; sein Körper wird von den Lüftungsgebläsen sachte hin und her gepustet, und zu dessen Ruhezeiten muss jeder Astronaut gewärtig sein, dass ihm dieser Russe um die Ohren fliegt.

In einem Aufsatz für das Journal of Cosmology haben jetzt zwei Wissenschaftler, Dirk Schulze-Makuch und Paul Davies, die Ansicht vertreten, man könne viel früher als geplant Astronauten auf die lange Reise zum Mars schicken, wenn man darauf verzichte, sie wieder zurückzuholen: ein One-Way-Trip zum Mars sei kostengünstiger. Viele Menschen seien daran interessiert, ja, er selbst, Schulze-Makuch, könne sich das vorstellen, sobald seine Kinder erwachsen seien. Habe nicht Kolumbus beim Aufbruch auch die Möglichkeit der Nicht-Rückehr einkalkuliert?

Wenn das aber eine Reise ohne Wiederkehr sein soll, dann muss auf dem Mars dereinst ein neues Menschengeschlecht entstehen, nicht wahr? Leute, die von uns abstammen, deren Kinder aber Außerirdische sein werden! Ist das nicht eine unglaubliche Idee? Dass wir die Außerirdischen schaffen werden? Dass die Mars-Menschen (hießen sie nicht, als wir Kinder waren, immer »Mars-Männchen«?) wirklich Mars-Menschen sein werden? Was hat der Mars einem solchen, für immer abreisenden Menschen zu bieten? Das Gefühl, in die Geschichte der Welt einzugehen, ja – aber was kann einem dieses Gefühl dort bedeuten, am Tharsis-Rücken oder Olympus Mons? Und was soll man sagen, wenn man auf einsamen Wanderungen irgendwo um die Ecke biegt, und vor einem steht – Rene Joly? Und spielt Akkordeon. Und trinkt Champagner.

Illustration: Dirk Schmidt