Das Beste aus aller Welt

Die Europäische Zentralbank versucht mit ihrer lockeren Geldpolitik den Konsum anzukurbeln, doch das Geld bleibt auf dem Weg zu den Bürgern bei den Banken stecken. Damit das in Zukunft anders ist, hat unser Kolumnist eine hochfliegende Idee.

Immer wieder liest man, die Europäische Zentralbank pumpe Geld ohne Ende »in die Märkte«, sie senke die Zinsen so weit, dass man sich überall billige Kredite besorgen könne, ja, sie »flute« Europa mit Euros, es gebe eine regelrechte »Geldschwemme«. Blickt man dann aber auf das eigene Konto, muss man sagen: von Schwemme keine Rede. Es tröpfelt, es rinnt, man leidet keine Not. Auch bei aufgedrehten Hähnen und offenen Ventilen plätschert es nur, wo doch ein Rauschen zu hören sein müsste, ein Brausen und Schwallen und Tosen.

Wo ist die Flut? Wo bleibt die Kohle?


Die Antwort ist sehr einfach: Die Banken haben sie. Denn niemand von uns kennt ja die Europäische Zentralbank persönlich, keiner hat je mit ihr zu tun. Das Geld, das sie dem Kontinent zur Verfügung stellt, geht an die Banken - und dort bleibt es auch. Es wird nicht weitergereicht. Man kann das, vereinfacht gesagt, daran erkennen, dass in den vergangenen Jahren die Kurse für Aktien und die Preise für Immobilien rasant gestiegen sind, das heißt, die Geschäfte der Banken sind super gelaufen. Alle anderen Preise aber sind mehr oder weniger gleich geblieben, die Inflationsrate liegt nur bei 0,3 Prozent. Die Leute kaufen einfach zu wenig, sonst würden die Preise ja steigen, so ist das bei Angebot und Nachfrage. Das geschieht aber nicht.

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Warum nicht? Weil das Geld fehlt.


Wenn wir uns für einen Moment noch einmal vorstellen, Geld wäre eine Droge und wir alle mehr oder weniger süchtig nach ihr, dann könnte man sagen, die Leute in den Banken liegen schon wieder zugedröhnt über ihren Schreibtischen, während wir alle zusehen müssen, dass wir unseren täglichen kleinen Schuss mit irgendwelchem gestrecktem Backpulverzeug bekommen.


Was tun?

Milton Friedman, der vor beinahe vierzig Jahren den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen bekam, hatte die Idee, in einem solchen Fall über dem Land Dollar-Scheine aus Hubschraubern abwerfen zu lassen. Ben Bernanke, später Chef der US-Zentralbank, griff diese Vorstellung Anfang des Jahrtausends auf; seitdem hatte er den Spitznamen Helicopter Ben. Und auf der Internetseite Economics hat vor Kurzem Willem Buiter, Wirtschaftsprofessor und Chefvolkswirt der Citigroup, diesen Gedanken in einem Aufsatz unter dem Titel Warum es funktioniert - immer befürwortet. Landete das Geld, so die Idee, beim Bürger selbst, würde es auch ausgegeben und nicht verspekuliert. Das Wirtschaftsleben käme in Gang, die Ökonomie wüchse, die Arbeitslosenraten sänken.

Auch ich möchte mich nun diesem Konzept anschließen, unter einer Voraussetzung: Das Geld muss wirklich aus Hubschraubern abgeworfen werden. Es soll nicht auf Konten überwiesen werden (da hätten schon wieder die Banken ihre Finger im Spiel); es darf nicht in Gutscheinform überreicht werden; es soll nicht diskret von Boten gebracht werden.

Es soll vom Himmel fallen.

Denn erstens fällt heute viel zu wenig vom Himmel, immer nur Regen, Hagel, Schnee - und das auch noch mit Ankündigung durch Meteorologen. Unser Leben ist so arm an Überraschungen, der Himmel ist ein riesiger freier Raum, warum könnte denn nicht wenigstens alle paar Monate mal dies oder jenes an kleinen Fallschirmen zu uns herabsegeln? Irgendetwas, womit man nicht gerechnet hatte. Eintrittskarten für ein Spiel des TSV 1860 München, frische Socken oder Gedichtbände aus dem Insel-Verlag. Kleine Kühlschränke aus Marzipan. Winzige wohlriechende Seifenstücke. Junghamster mit Namensschildern um den Hals. Anfassbares.

Zweitens wäre, wenn die knatternden Zentralbankhubschrauber nahten, der Wahnsinn unserer Welt mal wieder ein kleines bisschen sichtbarer und nicht mehr versteckt im Virtuellen: eine Notenbank, die Banknoten abwirft, damit die Wirtschaft boomt und die Wachstumskurve steigt - irre, oder? Aber doch die reine Wahrheit.


Illustration: Serge Bloch