Wie der deutsche Fußball noch zu retten wäre

Während die Bundesliga immer langweiliger wird, dümpeln viele Traditionsvereine in der dritten Liga herum. Gibt es da vielleicht einen Zusammenhang?

Das Schicksal und Holstein Kiel haben es gewollt, dass ich die Tabelle der dritten Liga studiere, in der einer der bedeutendsten deutschen Vereine, Eintracht Braunschweig, spielt – warum? Um es Leuten, die sich mit wichtigen Dingen nicht gut auskennen, zu erklären: weil das erwähnte Holstein Kiel, das zuletzt 1912 Deutscher Meister war, den unvergessenen Triumphator der Saison 1966/67 und Bezwinger von Juven­tus Turin am 31. Januar 1968 (3:2 bei drei Toren von Kaack, leider zwei davon Eigentore) mit einem 6:2 aus der zweiten in die dritte Liga schubste. Im kicker las ich, der Publikumsliebling Boland sei »mit Tränen untersetzt« gewesen.

Folgendes fällt beim Blick in die dritte Liga auf: Eintracht Braunschweig, 1. FC Kaiserslautern, Preußen Münster, 1860 München, Karlsruher SC. Alle Mitglieder der ersten Bundesliga, als die 1963 gegründet wurde! Dazu kommen, zum Beispiel, Hansa Rostock (letzter DDR-Meister 1991, als es die DDR gar nicht mehr gab, wirklich!), Carl Zeiss Jena (Finalist im Europokal 1981), FSV Zwickau (DDR-Meister 1950). Eine Liga für Nostalgiker!

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Wussten Sie, dass 1925 im Stadion von Preußen Münster zum ersten Mal in Deutschland ein Fußballspiel live im Radio kommentiert wurde? Wussten Sie, dass die Weltmeister-Elf von 1954 im Kern aus Kaiserslauterer Spielern bestand: Fritz und Ottmar Walter, Werner Liebrich, Horst Eckel, Werner Kohlmeyer? Klar, weiß jeder! Wussten Sie, dass ein Mitglied der Bundesliga von 1963, der 1. FC Saarbrücken, in der vierten Liga spielt, drei weitere in der zweiten: Hamburger SV, 1. FC Köln und der MSV Duisburg?

MSV heißt übrigens Meidericher Spielverein: Meiderich ist ein Stadtteil von Duisburg. »Wo liegt eigentlich dieses Meiderich?«, fragte Uwe Seeler vor dem ersten Spiel dort. Sein HSV verlor 0:4, da sangen die Duisburger: »Wo Meiderich liegt, wo Meiderich siegt, ist überall bekannt!«

Bruno, mein alter Freund, sagt, ein Freund habe vorgeschlagen, die zweite Bundesliga in Bundesliga Classic umzubenennen, eine Spielklasse der Traditionsvereine, erinnernd an die goldenen Jahre der Fußballromantik. Alle Spiele samstags um halb vier, live nur im Radio, Ausschnitte im Fernsehen nach 18 Uhr, schwarz-weiß, bitte!

Großartiger Gedanke! Ich erweitere ihn: Wir brauchen eine eigene Klassik-Liga, in der jene Klubs antreten, die 1963 die Bundesliga begründeten. Der FC Bayern gehörte nicht dazu, entfällt also. Dortmund, Stuttgart, Frankfurt, Schalke, Nürnberg, Bremen, Hertha BSC müssten sich entscheiden, wo sie dabei sein möchten, erste Liga oder Bundes­liga Classic. Entscheiden sie sich falsch, werden sie durch Ost-Vereine ersetzt, Rostock, Magdeburg, Dresden, auch durch die Rot-Weißen aus Essen und Oberhausen oder die Borussia aus Neunkirchen (heute sechstklassig!).

Die Leute würden die Stadien stürmen: Bratwurst nur gegen D- oder Ost-Mark, Bier an Buden, deren Betreiber einst selbst Kapitäne der Heimatklubs waren. Und die Trainer sollen »Fiffi« Kronsbein heißen oder Kuno Klötzer! Riesenerfolg garantiert! Sahen wir nicht bei der WM die Bling-Bling-Athleten Ronaldo und Neymar untergehen, auch Steuerbetrüger wie Messi? Gibt es nicht einen Zuschauerboom in unteren Ligen, beim ehrlichen Kick? Bejubelten wir nicht Männer wie Harry Kane, einen Typ vom alten Schlag, der seit Jahren bei den Tottenham Hotspurs kickt, Traditionsklub ersten Ranges, Europapokalsieger 1963?

Ich lese, Rudi Gutendorf sei der erste Bundesliga-Trainer in Meiderich gewesen, später berühmt als Riegel-Rudi, Trainer in aller Welt, von Fidschi bis Botswana. Gutendorfs Vertrag wurde auf die Speisekarte des Vereinslokals gekritzelt, »30 000 Mäuse« Prämie für den zweiten Platz stand da. Ich lese es mit Tränen der Wehmut untersetzt, denn auch das wollen wir: auf Speisekarten gekritzelte Verträge oder auf Bierdeckel.

Mit Dank an Detlef Diederichsen für die Bundesliga-Classic-Idee.