Beate Uhse

Die Beate Uhse AG, Europas größter Erotikkonzern, steckt in Schwierigkeiten. Umsatzrückgänge, Kursverluste, Managementfehler – glaubt man den Analysen in Finanzzeitungen und Wirtschaftsressorts, droht inzwischen sogar eine Zerschlagung durch Finanzinvestoren. Gleichzeitig kommen wir auf dem Weg zur Arbeit nun jeden Tag an einem neuen Beate-Uhse-Laden vorbei, der nicht nur in bester Innenstadtlage eröffnet hat, sondern auch noch »Flagship Store« heißt, wie sonst nur die pompösesten Markentempel von Nike, Sony oder Prada. Zusammengenommen ergibt das ein beunruhigendes Bild: Hier wandelt sich etwas in Sachen Sex, Konsum und Lebensgefühl – und möglicherweise ist eine sechzigjährige Entwicklung an ihr Ende gekommen.

Auf Beate Uhse, die Firmengründerin und bis zu ihrem Tod im Jahr 2001 die bekannteste Deutsche, war immer Verlass. In Hunderten von Interviews und Tausenden von Prozessen beteuerte sie stets, eine reine Geschäftsfrau zu sein, die auf die Nachfrage des Marktes zu reagieren und einen Bedarf zu erfüllen habe. Aber das war nur die halbe Wahrheit. In Wirklichkeit muss man ihr Aussehen, ihre Bekanntheit und ihre Firma als eine Art Gesamtkunstwerk betrachten. Insbesondere das Hager-Verhärmte, Burschikose und in späteren Jahren Verhutzelte ihrer Erscheinung spielt dabei eine entscheidende Rolle. Von anderen Propagandisten der Luststeigerung und sexuellen Befreiung wurde stets verlangt, mit dem eigenen Körper und Sexualleben für ihre Botschaften einzustehen – das gilt bis heute für Playboy-Gründer Hugh Hefner, und es galt erst recht für Pornostars wie Ilona Staller und Teresa Orlowski, die sich später zu Erotik-Geschäftsfrauen wandelten. Beate Uhse aber gelang der Coup, diese Logik umzudrehen.

Als zentrales Element ihrer Erfolgsstory erwies sich der sogenannte »neutrale Umschlag« im Versandgeschäft, der eine Bedürfnisbefriedigung versprach, zu der man sich nicht offen bekennen musste. Beate Uhse übernahm diese Umschlag-Funktion für ihr ganzes Imperium. Wenn in den frühen Jahren wieder einmal ein Richter darüber zu entscheiden hatte, ob diese Frau »der unnatürlichen, gegen Zucht und Sitte verstoßenden Aufpeitschung und Befriedigung geschlechtlicher Reize« Vorschub leiste – dann reichte meist ein Blick auf die Angeklagte, um diese Frage zu verneinen. Die moralzersetzende und möglicherweise ekstatische Kraft ihrer Noppen-Dildos und Stringtangas wurde durch ihre Medienpräsenz und ihre Erscheinung sofort wieder neutralisiert. Letztlich ging es, das sah man, eben doch nur um die bitteren Notwendigkeiten des Geschlechtlichen, die noch am ehesten durch einen technischen Pragmatismus zu bändigen waren, wie man ihn zum Beispiel in Baumärkten findet. Wie keine andere hat sie das Land mit Sexprodukten versorgt und gleichzeitig daran gearbeitet, diese zu entdramatisieren und zu entsexualisieren.

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Betritt man in diesen Tagen den »Flagship Store« der Kette, erlebt man den Endpunkt dieser Entwicklung – und erahnt die Schwierigkeiten, in denen der Konzern steckt. In den Lautsprechern läuft November Rain von Guns N’ Roses. Als Blickfänger im rot getönten Eingangsbereich steht ein Beate-Uhse-Sexwein, der sich bei näherem Hinsehen als »Eberstädter Samtrot Kabinett« aus dem Schwäbischen entpuppt. Gegenüber ein Regal mit Filmen, deren Cover bewusst harmlos gestaltet sind, teilweise sogar mit verschärftem Kunstanspruch (»Lars von Trier presents Puzzy Power«). Weiterhin gibt es Nudeln in Busenform und G-Strings aus Zuckerperlen, ein Regal mit Gleitcremes und Kondomen und schließlich einen Raum voller Dessous. Junge stilbewusste Paare, heißt es, seien die neue Zielgruppe des Konzerns – aber die Vorstellung, einen jungen, stilbewussten und selbstverständlich monogamen Pärchenabend mit all den beschriebenen Utensilien zu erleben, lässt sich nur in einem Wort zusammenfassen: Hölle.

Wir jedenfalls sind jetzt ziemlich sicher, wo sich die ausbleibende Kundschaft herumtreibt: Wo sonst als in den unerschöpflichen Weiten des Internets, wo heute die wahren Überraschungen warten und man ganz ohne Mühe auf Dinge stößt, die wirklich noch den Namen »Schweinkram« verdient haben.