»Es kommen viele Witwen ins Lachyoga«

Cornelia Leisch ist Lachtrainerin und Vorsitzende des Europäischen Berufsverbandes für Lachyoga und Humortraining. Der Fall ihres Lebens: eine Frau, die nach dem Tod ihres Mannes in ein tiefes Loch gefallen ist.

Beim Lachtraining ginge es gar nicht ums Lachen, sagt Cornelia Leisch. Es ginge vielmehr darum, Gefühle zuzulassen.

Illustration: Lina Müller

SZ-Magazin: Muss man lachen lernen?
Cornelia Leisch: Nein, Lachen ist angeboren. Was wir lernen müssen, ist das Lachen willentlich zu nutzen. Normalerweise warten wir darauf, dass uns ein Witz oder eine lustige Situation zum Lachen bringt. Beim Lachtraining initiieren wir das Lachen selbst.

Welche Menschen kommen zum Lachtraining?
In der Regel sind es Menschen über 35. Sie haben oft schon Schicksalsschläge hinter sich, Burnouts, Depressionen oder fühlen sich einfach einsam. Diese Menschen haben bereits die Erfahrung gemacht, dass man vor Schwierigkeiten nicht davonlaufen, sondern etwas dagegen tun kann. Das macht sie empfänglicher für Lösungsangebote.

Können Sie uns vom Fall Ihres Lebens erzählen?
Ja, es handelte sich um eine ältere Dame, die zu den Lachtreffen kam, die ich jeden Sonntag anbiete. Diese Treffen sind für alle Menschen offen und kosten nichts. Wir reden nicht während des Lachens, um besser zu Fühlen. Ich achte auf die Gruppe und passe die Dynamik an, damit alle sich wohl fühlen. Diese Dame kam regelmäßig, war aber oft sehr still und ernst.

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Hat sie nicht mitgelacht?
Sie machte zwar mit, doch ich merkte, das Lachen fiel ihr schwer.

»Nach einigen Monaten ist sie richtig aufgeblüht«

Wie ging es mit der Dame weiter?
Nach der Stunde war sie normalerweise schnell weg. Eines Tages kam sie aber zu mir und sagte: »Wenn ich dich nicht gefunden hätte, gäbe es mich heute nicht mehr«. Sie erzählte, sie sei nach dem Tod ihres Mannes in ein Loch gefallen, aus dem sie aus eigener Kraft nicht mehr herauskam. Obwohl sie anfangs nur schwer mitlachen konnte, hat ihr die Gruppe den nötigen Halt gegeben, um am Leben festzuhalten. Bei einem Lachtraining wird man angeschaut und angelächelt, es geht offen und herzlich zu, man sagt: »Schön, dass du da bist«. Das hat ihr Auftrieb gegeben. Nach einigen Monaten ist sie richtig aufgeblüht. Sie begann sogar, in die Berge zu gehen – das wollte sie schon immer machen, aber ihr Mann war zu Lebzeiten dagegen.

Wieso ist das der Fall Ihres Lebens?
Ich habe dadurch zum ersten Mal gemerkt, dass Lachtraining Leben retten kann. Mir fiel auf, wie viele der Menschen, die zu mir kommen, ähnliche Geschichten haben. Es kommen so viele Witwen! Viele von ihnen sind es nicht gewohnt, selbstständig Kontakte zu knüpfen. Sie waren immer mit ihren Partnern im Urlaub und hatten eine Person, die beim Essen neben ihnen saß – sie waren nie allein. Mir ist aufgefallen, dass es für ältere Menschen kaum passende und offene Angebote gibt. Deswegen begann ich, in den Münchner Alten- und Servicecentern das Projekt »Oma lacht wieder« mit Vorträgen vorzustellen.

Wie gelingt es Ihnen, traurige oder trauernde Menschen zum Lachen zu bringen?
Meistens brauchen sie sehr lange, bis sie sich überwinden und zu mir kommen – teilweise bis zu zwei Jahren. Oft weinen sie auch zunächst erstmal, und ich merke, wie schlecht es ihnen eigentlich geht. Ohnehin geht es beim Lachtraining gar nicht ums Lachen. Es geht darum, Gefühle zuzulassen. Niemand muss bei mir lachen. Man kann auch einfach vor sich hinkichern, schmunzeln oder lächeln. Gerade lächeln ist eine rein muskuläre Angelegenheit, die die Laune verändert. Man kann in den Spiegel lächeln - damit tut man sich selbst etwas Gutes, ohne zu sehr aufzufallen. Oder man lächelt fremde Menschen an, das kann ein erster Impuls für ein Kennenlernen sein. Aber nicht enttäuscht sein, wenn Leute nicht zurücklächeln – so ist das halt. Denn: Ich lächle nicht, um eine Reaktion hervorzurufen, sondern damit es mir besser geht.